Anziehend heilsam – abstoßend teuer

Heilmagnete: zwischen echter Schmerzlinderung und billiger Scharlatanerie. Ein Londoner Arzt untersuchte, was von ihnen zu halten ist

Für Paracelsus stand fest: „Der Magnet ist ein Meisterstück für den Künstler der Arznei.“ Er selbst verwendete ihn vor allem zur Behandlung von Wunden und Knochenbrüchen. Danach gerieten die Metallstücke jedoch erst einmal in Vergessenheit. In jüngerer Zeit feiern sie jedoch wieder ein Comeback, mittlerweile werden weltweit rund fünf Milliarden Euro mit ihrem Verkauf umgesetzt. In Deutschland werden sie zurzeit massiv auf Kaffeefahrten angeboten.

Die Zeiten jedoch, wo die Patienten noch unhandliche und kiloschwere Metallklötze unter ihre Füße stellen mussten, sind vorbei. In Japan entwickelte man bereits in den Sechzigerjahren kleine Magnetpflaster von der Größe eines Markstücks, die mit der Nordpolseite nach unten auf der Haut befestigt werden. Den derzeitigen Höhepunkt der Weiterentwicklung stellen Magnetfolien mit wechselnden Nord- und Südpolen, auch sie lassen sich problemlos unter der Kleidung verstecken oder in Decken einnähen. Die alte Magnettherapie wurde also technisch verfeinert – bleibt trotzdem die Frage, ob sie auch tatsächlich hilft.

Nyon Eccles von der Chiron-Klinik in London hat in einer aktuellen Studie das wissenschaftliche Datenmaterial zur Schmerzlinderung durch Magnete gesichtet. Er fand 21 klinische Forschungsarbeiten zu dem Thema, immerhin fünfzehn von ihnen erfüllen die Kriterien, die zu einer methodisch hochwertigen Arbeit gehören. „Und von diesen zeigen elf einen Schmerz stillenden Effekt“, so Eccles. Das sind fast 75 Prozent – eine Quote, die sich durchaus mit den herkömmlichen Schmerzmitteln messen lassen kann. Und die Palette der untersuchten Beschwerden reicht von Neuropathien über Entzündungen und Fibromyalgie bis zum postoperativen Schmerz.

Offen ist aber noch, wie der Schmerz hemmende Effekt zustande kommt. Einige Laborversuche ergaben zwar, dass Magnete den Blutfluss verbessern und die Blutgefäße erweitern. Doch in anderen Untersuchungen zeigte sich sogar der entgegen gesetzte Effekt, dass nämlich die Durchblutung gedrosselt wurde. Es ist also nicht klar, ob Magnete eher wärmend oder aber kühlend zur Schmerzlinderung beitragen. Möglich ist auch, dass sie diesen Effekt jenseits der Durchblutung, beispielsweise durch ihren Einfluss auf die Nervenbahnen auslösen.

Schädliche Nebenwirkungen wurden bislang nicht beobachtet. Sie sind wohl auch nicht zu erwarten, denn die Weltgesundheitsorganisation erklärt statische Magnetfelder bis zu einer Stärke von 20.000 Gauss für unbedenklich – und Heilmagnete werden lediglich in Stärken von 300 bis 5.000 Gauss eingesetzt.

Weniger seriös ist es allerdings, wenn die Magnete auf Kaffeefahrten verkauft werden. Hier werden ältere Menschen mit falschen Versprechungen („Wir gratulieren! Sie haben 1.500 Euro gewonnen“) angelockt und in Bussen zu irgendwelchen Lokalen verfrachtet, wo man ihnen Magnetdecken zum „Super-Spottpreis“ von knapp 1.000 Euro anbietet. Diese Decken sollen nicht nur Schmerzen lindern, sondern auch bei Bluthochdruck, Arteriosklerose und Diabetes helfen, und überhaupt davor schützen, zum Pflegefall zu werden. Für Senioren hört sich so etwas natürlich verlockend an. Dabei existiert nirgendwo in der medizinischen Literatur ein Hinweis darauf, dass Magnete etwas anderes können, als Schmerzen zu lindern. Auch wurde dieser Effekt überwiegend an Einzelmagneten nachgewiesen, nicht aber an Magnetdecken. Der in Deutschland führende Magnetfabrikant, die Firma „Rheinmagnet“ in Neunkirchen, geht ausdrücklich auf Distanz zu den Produkten und Heilsversprechungen der Kaffeefahrten.

Der Ratschlag freilich, sich seine Heilmagnete wie andere Medizinprodukte auch in der Apotheke zu besorgen, hilft nicht unbedingt weiter. Denn dort werden die Magnete zu den unterschiedlichsten Preisen angeboten, und man kann auch dort eine Magnetdecke bestellen. Kostenpunkt: 1.600 Euro.

JÖRG ZITTLAU