„An der Börse verliert immer irgendein Anleger“

Klaus Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, ist der Ansicht, dass der Kursanstieg schon sehr weit fortgeschritten sei

taz: Herr Schneider, die Börsenkurse steigen, aber die Kleinaktionäre halten sich zurück. Verpassen die Normalbürger eine Chance, reich zu werden?

Klaus Schneider: Wer reich werden wollte, hätte früher Aktien kaufen müssen. Der Kursanstieg ist sehr weit fortgeschritten.

Könnte man nicht so rechnen: 2001 ereignete sich der Crash erst bei einem DAX-Stand von über 8.000 Punkten – also dürfte bis 7.000 Punkten alles sicher sein?

Eine gewagte Spekulation. Börsengeschäfte wären einfach, wenn man von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen könnte.

Und was ist mit Solaraktien? Bei den explodierenden Ölpreisen müssten sie doch eine sichere Anlage sein.

Bloß nicht. Die Preise sind dort schon so stark gestiegen, dass die Firmen 20 Jahre lang Gewinn erwirtschaften müssen, um den Aktienpreis zu rechtfertigen. In die Solarkurse ist schon sehr viel Fantasie eingeflossen. Denn die Firmen können ihren Umsatz wegen Engpässen bei den Rohstoffen nicht so stark steigern wie geplant.

Warum sind Sie so pessimistisch? Viele Analysten halten die deutsche Aktien immer noch für unterbewertet.

Wenn das wirtschaftliche Umfeld und die Gewinne unverändert bleiben, dann dürfte beim DAX bei etwa 5.500 Punkten die Luft sehr dünn werden.

Das klingt so, als würden Sie dem Kleinaktionär raten: Hände weg von der Börse.

Keinesfalls. Einige Kurssteigerungen sind noch zu erwarten.

Wo?

Einzeltitel wollen wir nicht pauschal empfehlen.

O.k. Und Branchen?

Ausgewählte Werte aus den Bereichen Finanzen, Chemie und Investitionsgüter bieten noch gute Chancen. Aber für die Börse gilt nun einmal, dass jedem Käufer ein Verkäufer gegenüber steht. Einer verliert immer.

Und meist ist das der Kleinaktionär?

Statistiken zeigen, dass die Superreichen längst wieder so reich sind wie vor dem letzten Crash 2001. Die Zeche hat damals der Kleinaktionär gezahlt. Und die Lebensversicherungen. Die haben sich noch ungeschickter verhalten als viele Kleinaktionäre. Sie haben zu Höchstkursen gekauft und zu Tiefstkursen verkauft. Diese riesigen Verluste haben letztlich wieder die normalen Sparer getragen – schließlich legen vor allem sie ihr Geld in Lebensversicherungen an.

Sieht es denn wenigstens bei Immobilien besser aus?

Wer ein Objekt sucht, sollte die aktuellen Chancen nutzen. Riesige Auswahl, niedrige Preise und Zinsen. Besser geht’s kaum.

Nur zum Eigenbedarf – oder taugen Immobilien auch als Spekulationsobjekt?

Die Preise dürften in Deutschland mittelfristig anziehen. Schließlich steigen sie in unseren Nachbarländern seit vielen Jahren – und das Wachstum in Frankreich oder Italien war auch nicht nennenswert besser.

Also Immobilien kaufen?

Die Mischung macht’s. Wenn die Leute alles in einen Topf werfen, ist es sehr ärgerlich, wenn er dann auf dem falschen Feuer steht.INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN