OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichet

Eines der besten Werke der Filmgeschichte erfährt seine wohlverdiente Wiederaufführung: Yasujiro Ozus „Tokyo monogatari – Reise nach Tokio“ (1953) ist eine gänzlich universelle Geschichte um einen Generationenkonflikt und erzählt mit einer beinahe grausam erscheinenden Resignation von den – stets enttäuschten – Erwartungen, welche die verschiedenen Familienmitglieder gegeneinander hegen. Hier reist ein älteres Ehepaar aus der Provinz zum Besuch der erwachsenen Kinder nach Tokio – doch die haben weder Zeit noch Lust, sich um die Eltern zu kümmern. Doch auch wenn die Sympathie klar auf Seiten der beiden Alten liegt, verurteilt der Film niemanden: Man erkennt sowohl Ozus Trauer um den Verlust einer traditionellen Lebensweise im Nachkriegs-Japan als auch das Verständnis für die notwendige Abnabelung der Kinder von den Eltern. (OmU, 15.–21. 10., fsk)

Wenig weiß man im Westen über das abgeschottete Nordkorea. Wie sich das kommunistische Land selbst sieht, kann man jetzt ansatzweise in der fünf Filme umfassenden Reihe mit nordkoreanischen Spielfilmen im Rahmen des zweiten Asian Women’s Film Festivals sehen. Der Gegenwartsstoff „A Schoolgirl’s Diary“ (2006) etwa thematisiert den Ärger einer Jugendlichen über ihren ständig abwesenden Vater, den sie erst zu begreifen lernt, als sie erfährt, dass er an einem Projekt nationaler Tragweite arbeitet. Natürlich bereut sie ihr kleinliches und individualistisches Verhalten daraufhin. Laut Regisseur Jang InHak gab Staatschef Kim Jong Il ihm sogar diverse Schnittanweisungen. (OmEU, 16. 10., Arsenal)

Eines muss man Dean Martin ja lassen: Sein Image als trinkfester Frauenheld parodierte er selbst ganz gern, und niemals tat er dies böser als in Billy Wilders Farce „Kiss Me, Stupid!“ aus dem Jahr 1964. Hier tritt er uns als reichlich überheblicher Entertainer Dino Martini entgegen, der immer dann Kopfschmerzen bekommt, wenn er nicht täglich Sex hat. Dass er in einem Provinzkaff namens Climax strandet, ist allerdings nur grobe Ironie, denn dort ist allenfalls der Hund begraben. Allerdings wittern die beiden Amateur-Songwriter Barney Millsap und Orville N. Spooner die große Chance, dem Star ihre Eigenkompositionen anzudrehen, sofern sie nur Zelda, die attraktive Gattin des Musiklehrers Spooner, irgendwie aus der Schusslinie bekommen können. Also geben sie einfach die Prostituierte Polly the Pistol (Kim Novak) als Frau Spooner aus. Das „öffentliche“ Amerika empörte sich seinerzeit über diese Farce einer bürgerlichen Doppelmoral, doch tatsächlich ist Billy Wilder allem Zynismus zum Trotz natürlich ein Moralist. Wilders moralische Haltung lässt sich auch in „The Apartment“ (1960) erkennen: Hier stellt ein Angestellter (Jack Lemmon) seinem Chef die Wohnung für dessen Seitensprünge zur Verfügung – und erkennt eines Tages, dass die Geliebte des Chefs jene Frau ist, die er auch selbst liebt. Ein wahrhaft schmerzhafter Lernprozess. Beide Filme laufen im Rahmen einer Wilder-Reihe im Lichtblick-Kino. („Kiss Me, Stupid“, 19. 10., „The Apartment“, 21. 10.) LARS PENNING