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Christoph Raffelt
Mundwerk
: Die Kunst der Fermentation

Foto: Cordula Kropke

Wenn ich in meiner Kindheit bei meiner Großmutter in den Ferien war, liebte ich es, in den Keller zu gehen, um mir dort im Vorratsraum all die Einmachgläser, Marmeladen und eingelegten Gemüse anzuschauen und mir etwas auszusuchen. Solche Keller, die voll sind von Produkten aus dem Garten, eingelagerten Kartoffeln oder Äpfeln oder solchen, die den Weg des Einmachens hinter sich haben, sind sehr selten geworden.

Weil fast alles im Supermarkt vorhanden ist, gehen häufig innerhalb von ein oder zwei Generationen jahrhundertealte Kulturtechniken des Konservierens verloren. Eine dieser grundlegenden Techniken ist das Fermentieren. Natürlich hat mich das Fermentieren in Bezug auf den Wein schon lange interessiert, aber das Spielfeld der Fermentation ist viel größer. Es fängt mit der Herstellung eigener Backfermente an und geht über milchsauer eingelegte Gemüse und Früchte hin zu Essigsorten und den in der asiatischen Küche gebräuchlichen Miso-Pasten, zu Shoyus, Kombuchas und Koji. Alle Fermentationstechniken, so unterschiedlich sie auch sein mögen, haben gemeinsam, dass ein Grundprodukt mit Hilfe von Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilzen, die oft schon am Grundprodukt vorhanden sind, in etwas Neues verwandelt wird.

Nicht selten bedarf es nur weniger Zutaten, um während des Fermentationsprozesses eine Umwandlung zu vollziehen, wie sie etwa bei einer Raupe hin zum Schmetterling geschieht. All diesen Prozessen, ihren Grundlagen und Ergebnissen hat sich kein Geringerer als René Redzepi zusammen mit Fermentations-Mastermind David Zilber gewidmet. Redzepi ist Gründer und Besitzer des dänischen Restaurants „Noma“. Das angesehene Restaurant hat einen neuen Weg der nordischen Küche begründet, die auf dem basiert, was man in Skandinavien in Wäldern, Seen und Meer so findet. Vieles davon ist fermentierbar, und so können aus einfachen Komponenten einzigartige Produkte entstehen, denen gemeinsam ist, dass sie die körpereigene Darmflora gleichsam nebenbei ergänzen. Diese gesundheitsfördernde Wirkung war schon unseren Vorfahren bekannt, wenn auch ohne wissenschaftliche Erklärung.

„Das Noma-Handbuch Fermentation“ von Redzepi ist ein Grundlagen- und Anwendungsbuch in einem. Es erklärt die chemischen Prozesse hinter den Rezepten ebenso anschaulich wie die Ergebnisse. Die meisten Rezepte sind nicht sonderlich aufwendig. Entscheidend ist, dass man den Produkten ihre Zeit gibt. Dann erwarten uns Aromen, die unser gesamtes Geschmacksempfinden verändern können. Das Buch kostet so viel, wie eine sehr gute Flasche fermentierter Trauben. Doch der Genuss, den „Das Noma-Handbuch Fermentation“ bieten kann, hält deutlich länger an.

René Redzepi, David Zilber: „Das Noma-Handbuch der Fermentation“, Verlag Antje Kunstmann, 456 S., 40 Euro