Mit Kunst heilen

Genesungsbeschleuniger der besonderen Art produziert: Im Albertinen-Krankenhaus sind Fotos Florian Borkenhagens zu sehen, die den Patienten Mut und Perspektive geben sollen

von Anne Grünberg

Kunst, die gesund machen soll, stellt der Künstler Florian Borkenhagen derzeit im Albertinen-Krankenhaus aus: Auf seinen lebensgroßen Fotos sind Hamburger Passanten in alltäglichen Situation zu sehen: beim Eisessen, Mountainbiken oder Lesen. Daneben hängen Gebrauchsgegenstände zum Anfassen: ein Teddy neben dem lesenden Kind oder ein tragbarer CD-Player, aus dem HipHop ertönt. Die Motive sind auf die jeweiligen Stationen des Krankenhauses abgestimmt. Nicht zufällig findet sich zum Beispiel das Foto eines alten Ehepaars, das auf die Welt, einen „echten“ Globus, schaut, auf der Station für Geriatrie.

Die Ausstellung ist „aus dem Leben und fürs Leben“ bestimmt, sagt Galeristin und Organisatorin Ruth Sachse. Patienten, Besucher und Mitarbeiter begegnen hier Alltagssituationen, aus denen sie kommen und in die sie wieder gehen werden. „Die Bilder sind nicht nur hübsch, sie sollen auch eine Erfahrung sein. So kann man den Patienten eine Perspektive geben, einen Grund, weshalb sie schnell gesund werden müssen.“

„Von der therapeutischen Wirkung ist selbst der ärztliche Direktor überzeugt“, bestätigt auch Peter Claußen, der Pressesprecher des Albertinen-Krankenhauses. „Es wird die Welt außerhalb des Krankenhauses gezeigt, und das weckt Erinnerungen und Träume.“ Da stehen zum Beispiel drei Rentner, einer davon mit Gipsbein, vor dem Bild der jugendlichen Mountainbiker und erzählen mit einem Lächeln von den Fahrradtouren, die sie früher unternommen haben. „Die Wirkung kann man nie wissenschaftlich belegen, aber man fühlt die positive Grundstimmung, die die Bilder auslösen“, sagt Claußen. „Außerdem würden wir nicht so viel Geld ausgeben, wenn wir nicht von der Wirkung überzeugt wären.“

Ein weiteres Element der Ausstellung sind kurze Schriftzüge wie „Willst du tanzen?“ oder „Ruf noch Mami an“, die an den unmöglichsten Stellen versteckt sind. Solchen Aufforderungen misst Sachse ebenfalls therapeutische Wirkung bei. „Der Patient soll beim Lesen Phantasie entwickeln.“ Aber auch negative Reaktionen seien förderlich: „Das zeigt, dass die Menschen zumindest darüber nachdenken.“

Das Albertinen-Krankenhaus selbst hat die Galeristin Ruth Sachse mit der Umsetzung dieser Idee beauftragt. Florian Borkenhagen hat die Ausstellung mit dem Titel „Anregend und anwesend“ daraufhin eigens für diesen Zweck zusammengestellt. In seinem Atelier im Hamburger Hafen arbeitet er gern mit benutzten Gegenständen. „Manche seiner Materialien riechen sogar noch nach Hafen“, berichtet Sachse.

Neben dem Albertinen Krankenhaus wird zudem eine psychiatrische Station gebaut, und auch hier soll gesund machende Kunst Teil des Konzeptes sein. Objekte aus der Galerie Ruth Sachse sollen dort dauerhaft gezeigt werden, wohingegen die Ausstellungen im Krankenhaus halbjährlich wechseln werden. Als Nächstes wird im Februar voraussichtlich eine große Malereiausstellung präsentiert.

„Anregend und anwesend“ ist bis Januar 2006 im Albertinen-Krankenhaus, Süntelstr. 11a, zu sehen. Informationen unter www.kunstgesund.de.