Merkel im Blauhemd

CDU-Wahlkampf zwischen Apolda und Zerbst: Zurück zu den Ost-Wurzeln

Angela Merkel im Ost-Wahlkampf. Der Wahlwerbespot der CDU zeigt eine im schicken FDJ-Blau gekleidete Unions-Kanzlerkandidatin, die angeregt mit Arbeitslosen vor „Silvio’s Pils-Pavillon“ in Döbeln über Hartz IV und Mehrwertsteuererhöhung diskutiert. Wähler zwischen Apolda und Zerbst, denen die abgehobene Wahlwerbung der Parteien schon lange „auf den Keks“ ging, können sich in dem volkstümlichen Spot der CDU dagegen spontan wiedererkennen.

Nachdem die letzte Bundestagswahl für die CDU im Osten verloren gegangen war, musste die Union zur Kenntnis nehmen, dass der Ostmensch „anders denkt und spricht“. Auch wenn Jörg Schönbohm seine proletarisierten Brandenburger am liebsten nur noch mit der Beißzange anpacken will und Edmund Stoiber im Osten nur noch Frustrierte ausmacht, wird Merkel daran festhalten, die Ostdeutschen „in ihrer Lebenswirklichkeit abzuholen“. „Anknüpfung an vertraute Lebenswirklichkeiten“, meint denn auch der von der CDU beauftragte PR-Berater Ralf Greutz, 58, „ist das, was die Menschen hier brauchen.“

Eigentlich nicht verwunderlich, dass Ostbürger nach der Erfahrung 40-jähriger SED-Herrschaft der mediengesteuerten Demokratie auch heute noch mit Misstrauen begegnen. „Der Ostdeutsche muss erst ganz behutsam an die Polit-Denke des Westens herangeführt werden“, konstatiert der Leipziger Greutz.

Die Erklärung ist einfach: Volle Regale bei leeren Brieftaschen haben im Osten zu Ernüchterung bis hin zur Resignation geführt, da ist Vertrautes wieder gefragt. Die gewohnte Umwelt des realsozialistischen Biedermeiers kann dabei nach Meinung von Experten als wahlentscheidendes Moment dienen.

So schmieden denn die Wahlstrategen der Ostberliner Agentur Interwerb, allesamt gestandene Agitprop-Kader aus SED-Tagen, im Auftrag der CDU kühne Pläne. Und so kamen sie auf die Idee, den zu DDR-Zeiten perfekt eingespielten Apparat für Paraden, Jubelaufzüge und ähnliche Großveranstaltungen wiederzubeleben. Auf den Transparenten der im NVA-Stechschritt einhermarschierenden „Paradegänger“ soll nun Wahlwerbung präsentiert werden. „CDU-Slogans statt SED-Losungen – das verstehen unsere Leute“. Selbst die kleinsten Details sollen den Ostdeutschen ins Bewusstsein rücken, dass Angela Merkel eine der ihren geblieben ist. Das FDJ- Blau ihres Hosenanzugs ist da genauso wichtig wie die Halloren-Kugeln, die sie bei ihren Wahlveranstaltungen freigiebig unters Wahlvolk wirft.

Auch der gezielte Wahlkampfeinsatz von Altbundeskanzler Helmut Kohl soll der schwächelnden Union im Osten Flügel verleihen. Für den schwergewichtigen Pfälzer wurde eigens ein Trabbi zu einem orangefarbenen „Kohlomobil“ umgerüstet, mit dem der Alte aus Oggersheim durch die östlichen Provinzen knattern will. Hoffentlich wurde dabei an verstärkte Bodenbleche gedacht.

Der pfiffige CDU-Kandidat Harald Äpfelt aus Halberstadt in Sachsen-Anhalt ließ sich von „Birne“ Kohls Triumphfahrt zu einem mega-ironischen Slogan für seinen eigenen Wahlkampf inspirieren. Ob sein Werben um die Wählergunst seiner Mitbürger von Erfolg gekrönt sein wird, erscheint allerdings mehr als fraglich – lautet sein Slogan doch: „Wer eine weiche Birne hat, wählt Harald Äpfelt aus Halberstadt“. RÜDIGER KIND