Kuckuck kommt nicht so oft

Eine neue Metastudie aus Großbritannien entlastet die Mütter: Es gibt weniger „Kuckuckskinder“ als bisher geschätzt. Damit haben skeptische Väter einige Sorgen und Talkshows ein Thema weniger

VON BARBARA DRIBBUSCH

Das Thema wurde zum Knaller für Talkshows und die Boulevardpresse und zum großen Geschäft für DNA-Testlabors. Jedes zehnte Kind stamme nicht von dem Mann ab, der sich für den Vater hielt, behaupteten die DNA-Tester. Zehntausende von Kuckuckskindern würden alljährlich in Deutschland geboren. Dass die Zahl dieser Kinder in Wirklichkeit wahrscheinlich erheblich geringer ist, lässt sich aus einer neuen Metastudie aus Großbritannien schließen.

Ein Team um den Forscher Mark Bellis von der John Moores University in Liverpool wertete Dutzende von US-amerikanischen und europäischen Studien aus den Jahren zwischen 1950 und 2004 aus, in denen auch die genetische Verbindung zwischen Kindern und ihren Eltern erfasst wurde. Dabei fanden sie heraus, dass – je nach Studie – zwischen ein und 27 Prozent der Kinder nicht mit dem Vater genetisch verwandt waren.

Die Studienergebnisse variierten, je nachdem, ob der genetische Test aufgrund von elterlichen Streitigkeiten gemacht wurde oder ob die biologische Verwandtschaft quasi nur als Nebenergebnis festgestellt wurde, etwa in Forschungen über Erbkrankheiten. Die Untersuchungen aufgrund elterlicher Zwistigkeiten ergaben erwartungsgemäß hohe Anteile, nämlich 27 Prozent. Anders sahen die Resultate aus, wenn es in den Erhebungen nur um Erbkrankheiten ging: Bei diesen StudienteilnehmerInnen zeigte sich, dass weniger als vier Prozent der Kinder nicht von ihren Vätern abstammten. Doch auch hier wollen die Forscher nicht von einem repräsentativen Ergebnis sprechen. Man könne nur sagen, dass die häufig genannte Rate von 10 Prozent an Kuckuckskindern „zu hoch gegriffen“ sei, erklärten die Experten. Die Studie erscheint in der September-Ausgabe des Journal of Epidemiology and Community Health.

Bei der biologischen Nichtverwandtschaft zwischen Vätern und ihren Kindern muss es sich nicht unbedingt um Kindesunterschiebung und Betrug durch die Mütter handeln: In den Studien werden auch Frauen erfasst, die nach einer Trennung und dem Beginn einer neuen Beziehung eine Schwangerschaft feststellen und diese irrtümlich der neuen Verbindung zuschreiben.

Mit der Angst vor Kindesunterschiebung verdienen auch in Deutschland DNA-Testlabors jährlich geschätzte 40 Millionen Euro. Heftigen politischen Streit erzeugte vor einiger Zeit der Vorstoß der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, DNA-Tests an Kindern ohne Wissen der Mütter unter Strafe zu stellen.