Petra Schellen über norwegische Geigenvirtuosen auf dem Bremer Musikfest: Und das Publikum spurt
Und wenn ich die Faust hebe, macht ihr ,Huh‘und singt ,Ich ar-bei-te in der Brau-e-rei‘.“ Und sie spurten, die BesucherInnen des Musikfest-Eröffnungskonzertes am Samstag. Die sonst oft zögerlichen Hanseaten sangen, lachten, ließen sich animieren von norwegischen Geiger Bjarte Eike und seinen „Barokksolistene“, die im Innenhof der NordLB eine schmissig-selbstironische „Alehouse Session“ hinlegten. Da wurde gefidelt und getänzelt, man prostete sich zu, der Cellist ging zeitweise wie betrunken zu Boden, rappelte sich dann grinsend wieder hoch.
Dabei ging die Performance in Wahrheit weit über eine gegrölte Irish-Folk-Session hinaus: Die Musiker spielten auf technisch höchstem Niveau – wie ihre Vorbilder, jene englischen Hof- und Kirchenmusiker, die Oliver Cromwell im 17. Jahrhundert entließ, sodass sie sich in Pubs verdingten.
Klassik und Folk gingen damals eine so gelungene Symbiose ein, dass sogar Henry Purcell, eigentlich bekannt durch Oratorienartiges wie „King Arthur“, für diese Alehouse Sessions komponierte. Und so kam es, dass auch in Bremen einer der Musiker zwischendurch eine Purcell-Arie anstimmte; ein anderer sang und tanzte Flamenco-Weisen; auch sie waren im alten England beliebt.
Eine lebensfrohe, publikumsfreundliche Performance also – was man vom Konzert der jungen norwegischen Geigerin Vilde Frang in der „Glocke“ nicht behaupten kann. Dass sie – begleitet vom Rotterdam Philharmonic Orchestra – das abgeleierte Max-Bruch-Violinkonzert spielte: Nun gut. Dass sie aber, obwohl hoch virtuos, das Tempo nicht hielt und an temperamentvollen Stellen so unbarmherzig schneller wurde, dass die Musiker nicht mehr mitkamen: Das wirkte wie ein Anfängerfehler, zudem wenig kooperativ. Und als hätten die Rotterdamer diese Frustration kompensieren wollen, spielten sie Ravels „La Valse“ danach derart laut, dass man sich gern die Ohren zugehalten hätte.
Das Publikum allerdings beklatschte Solistin und Orchester so frenetisch, dass man den Eindruck gewann, sie feierten eher sich selbst als die da oben. Denn eine so nobelpreisverdächtige Leistung war dieses Konzert nun wahrlich nicht.
Das Musikfest Bremen läuft noch bis 14.9. Infos unter www.musikfest-bremen.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen