Festivaleröffnung

Erst Ende des 18. Jahrhunderts begannen Literaten wie Schlegel „europäisch“ zu denken, das heißt, den geistesverwandten Kulturkreis über den eigenen Sprachraum hinaus zu erweitern. Heute sind wir fast so weit, aufgrund wirtschaftlicher Differenzen diesen Gedanken wieder zu verwerfen. Das Literaturfestival Berlin, das in diesem Jahr zum 12. Mal stattfindet, will mit dem Motto „Europe Now“ die Idee der Zusammengehörigkeit neu betrachten. Die Eröffnungsrede wird allerdings ein Neu-Europäer halten. Der chinesische Dichter Liao Yiwu lebt seit seiner Flucht im vergangenen Sommer in Berlin, weil ihm in seiner Heimat aufgrund der Veröffentlichung eines Erfahrungsberichts von seiner ersten Haft in den Jahren 1990 bis 1994 eine weitere Verhaftung angedroht wurde. Der Autor, dem in diesem Jahr der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wird, eröffnet das Literaturfestival heute um 18 Uhr im Haus der Berliner Festspiele. Anschließend wird der amerikanische Regisseur und Theaterautor Robert Wilson aus dem gemeinsam mit Philip Glass entstandenen Libretto „Einstein on the Beach“ lesen. Die Oper gilt als Klassiker der 70er Jahre und verfolgt eigentlich keine richtige narrative Handlung, weshalb Wilsons Lesung recht interessant werden dürfte. Das Internationale Literaturfestival Berlin findet bis zum 16. September statt.

■ 12. ilb Eröffnung mit Liao Yiwu und Robert Wilson: Haus der Berliner Festspiele, Schaperstraße 24. Dienstag 18 Uhr. Eintritt: 4–12 Euro