Eine Ruine, viel Geld und wenig Kunst

KUNSTHAUS Heute soll das Tacheles geräumt werden. Und dann? Entstehen Büros und Wohnungen. Auch ein bisschen Kultur wird am Standort bleiben

Am Montag schafften die Künstler bereits letzte Habseligkeiten aus dem Tacheles, heute Morgen soll nach 22 Jahren Besetzung endgültig Schluss sein: Für acht Uhr hat sich der Gerichtsvollzieher samt Polizei zur Räumung angekündigt. Was dann mit dem Haus geschieht, ist unklar.

Tacheles-Sprecher Martin Reiter kündigte an, nicht „mit plakativen Gewaltfestspielen“ zu reagieren. Stattdessen wollen Künstler bei einem „Protestfrühstück“ vor dem Haus Unterschriftenlisten für den Erhalt des Tacheles auslegen. Bereits am Samstag hatten rund 150 Unterstützer demonstriert.

Mitte Juni hatten die Künstler vor dem Landgericht einen letzten Rechtsstreit verloren. Rund 40 sind laut Reiter noch im Haus. Bleiben darf einzig eine Gruppe von Metallwerkern im Hinterhof. Michael Schultz, Anwalt des Zwangsverwalters, will auch sie bis Jahresende räumen.

Nach der Räumung könnte es zu einer Zwangsversteigerung des 25.300 Quadratmeter großen Geländes kommen. Gerichte taxierten seinen Wert auf 35 Millionen Euro. Eine erste Auktion platzte im April 2011, nachdem sich mehrere Tacheles-Nutzer gegen Abfindungen zum Auszug bereit erklärten. Eine neuer Termin steht aus. Möglich ist auch ein Direktverkauf, sofern sich die HSH Nordbank, die das Gelände verwaltet, mit einem Investor einigt. Interesse geäußert hatten der Spreedreieck-Eigner Harm Müller-Spreer, der Chef der Modemesse „Bread and Butter“ Karl-Heinz Müller oder Harald Huth, Planer des Einkaufszentrums „Schloss“ in Steglitz.

Der Bebauungsplan lässt 83.000 Quadratmeter Geschossfläche auf dem Gelände zu. 24.500 davon müssen Wohnraum sein, der Rest darf gewerblich verwendet werden. Die Ruine des 1909 eröffneten Kaufhauses wird bleiben: Sie steht seit 1992 unter Denkmalschutz. Dort ist eine kulturelle Teilnutzung festgeschrieben. Günter Kolodziej, kulturpolitischer Sprecher des Regierenden Klaus Wowereit (SPD), nannte eine Weiternutzung des Theatersaals und der Atelierräume „wünschenswert“. Der Senat werde mit dem Neueigentümer verhandeln, wenn dieser gefunden sei. Die jetzige Räumung sei „bedauerlich“, so Kolodziej. Das Land fördert das Tacheles allerdings schon seit 2002 nicht mehr. KONRAD LITSCHKO