„Pech gehabt, Linkspartei“

Wenn die Linkspartei die WASG Huckepack nimmt, ist die Chancengleichheit der Parteien verletzt. Die Linke betreibt Manipulation, sagt Wahlrechtsexperte Wolfgang Schreiber

Herr Schreiber, Sie haben rechtliche Bedenken gegen die Kooperation von Linkspartei und WASG bei der Bundestagswahl. Warum?

Wolfgang Schreiber: Zumindest einige Landeslisten der Linkspartei dürften gegen das Homogenitätsprinzip verstoßen und sollten deshalb zur Wahl nicht zugelassen werden.

Was bedeutet dieses Prinzip?

Das Wahlgesetz geht davon aus, dass eine Landesliste von einer einzelnen Partei aufgestellt wird. Wenn nun auf den Listen der Linkspartei zahlreiche Bewerber der WASG kandidieren, dann sieht es zwar nach außen so aus, als ob hier nur eine Partei zur Wahl antritt, tatsächlich ist es aber ein verdeckt gemeinsamer Wahlvorschlag. Das halte ich für unzulässig.

Die PDS ist schon früher mit offenen Listen angetreten. War das alles unzulässig?

In der Kandidatur von Parteilosen sehe ich grundsätzlich kein Problem. Auch die Kandidatur einzelner Mitglieder einer anderen Partei halte ich für unproblematisch. Das Homogenitätsprinzip ist aber verletzt, wenn Vertreter einer anderen Partei in größerer Anzahl und eventuell sogar nach einem bestimmten System auf den Listen der Linkspartei kandidieren.

Gibt es eine feste Grenze, ab der die Unzulässigkeit beginnt?

Ein Denkmodell geht davon aus, dass eine Liste zurückzuweisen ist, wenn unter den ersten fünf Kandidaten – das sind die Namen, die auf dem Stimmzettel stehen – die WASGler eine Mehrheit bilden. Ich persönlich halte eher eine Mosaiktheorie für richtig, die möglichst viele Indizien sammelt und abwägt. Besondere Bedeutung hat für mich die Frage: Wer ist Spitzenkandidat? Wenn die Liste der Linkspartei von einem Mitglied der WASG angeführt wird, dann halte ich das für in hohem Maße problematisch, insbesondere wenn noch weitere Mitglieder dieser Partei auf vorderen, aussichtsreichen Plätzen kandidieren.

Das könnte einige Landeslisten der Linkspartei betreffen …

Ja, ich denke an Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg mit den WASG-Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine, Klaus Ernst und Uli Maurer. Auch in Hamburg ist die Konstellation bedenklich. Dort ist der Spitzenkandidat parteilos, dann folgt ein WASG-Kandidat, das erste Mitglied der Linkspartei folgt auf Platz drei.

Linkspartei und WASG wollen in den nächsten zwei Jahren doch ohnehin fusionieren …

Das sind unverbindliche Absichtsbekundungen, die bei der Zulassung keine Rolle spielen.

Eine schnelle Fusion von WASG und Linkspartei war wegen der vorgezogenen Neuwahl gar nicht möglich. Muss die Linkspartei jetzt den Neuwahlcoup von Schröder ausbaden?

Da kann ich nur sagen: Pech gehabt. Es hat niemand die Linkspartei dazu gezwungen, mit der WASG in der erfolgten Form zu kooperieren. Fakt ist jedenfalls, dass mit der WASG eine kleine Partei in den Bundestag kommt, die sonst aller Voraussicht nach an der 5-Prozent-Hürde gescheitert wäre. Sie musste nicht einmal – wie andere kleine Parteien – Unterschriften sammeln, um an der Wahl teilnehmen zu können. Das Huckepackverfahren stellt eine Wahlrechtsmanipulation dar und verletzt auch die Chancengleichheit der Parteien.

Die 5-Prozent-Hürde soll die Entscheidungsfähigkeit des Bundestags sichern. Wo ist das Problem, wenn die WASGler später in der Fraktion der Linkspartei mitarbeiten? Gysi und Lafontaine wollen sogar die Fraktion gemeinsam führen.

Für das Wahlrecht ist es völlig irrelevant, was die Herren Gysi und Lafontaine deklamieren. Wahlrecht ist Formalrecht. Und da zählt vor allem, ob ein Kandidat im Zeitpunkt der Listenzulassung Mitglied in der entsprechenden Partei ist oder nicht.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH