Rabe spart Lernkultur

SCHULE Um die Lehrer zu entlasten, streicht der Schulsenator eins von zwei Lernentwicklungsgesprächen. Die Elternkammer ist entsetzt

■ Auch das umstrittene Zentralabitur in allen 22 Einzelfächern gilt als Entlastung. Lehrer müssen sich weniger Aufgaben ausdenken.

■ Für Abiturprüfungen gibt es kein Zweitgutachten mehr. Künftig schaut sich ein zweiter Lehrer das erste Gutachten nur noch mal an.

■ Schulen müssen nicht mehr eigene Lehrpläne entwickeln, dafür gibt es Musterpläne.

■ In Planung ist eine weitere Straffung der Prüfungen für Haupt- und Realschüler.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) will die rund 18.000 Lehrer der Stadt im Schnitt um zwei Arbeitstage im Jahr entlasten. Unter anderem soll das Schulgesetz geändert werden und die Zahl der verbindlichen „Lernentwicklungsgespräche“ (LEG) im Schuljahr von zwei auf eines reduziert werden. Das stößt bei der Elternkammer auf scharfen Protest.

„Wir wollen die LEGs behalten“, sagt der Elternkammervorsitzende Michael Hartwig. Diese vor drei Jahren unter Schwarz-Grün eingeführten Gespräche seien eine „richtig gute Neuerung“. Sie finden meist im Beisein der Kinder mitten im Schuljahr kurz nach den Herbstferien und um die Frühjahrsferien statt, so dass bis zu den Zeugnissen noch Zeit bleibt, Leistungen zu verbessern.

„Ich kenne das als Vater seit Jahren“, berichtet Hartwig. „In den 20 bis 30 Minuten Gespräch erfährt man viel mehr, als man in Zeugnissen liest.“ Auch für die Lehrer seien die Gespräche von Vorteil. Sie erhielten einen anderen Blick auf die Kinder und Kontakt zu Eltern, die „sonst schulischen Veranstaltungen eher fernbleiben“.

Auch die grüne Schulpolitikerin Stefanie von Berg findet den Rabe-Plan falsch: „Wenn die Gespräche gut vorbereitet sind, haben auch die Lehrer viel davon.“ Man gebe sich gegenseitig Tipps und vereinbare Ziele für das nächste Halbjahr. Diese aktive Art der Einbeziehung sei „ein wichtiger Bestandteil der neuen Lernkultur“.

Ties Rabe sieht das anders. Ihn stört, dass die Gespräche auch vormittags stattfinden und Unterricht ausfällt. Deshalb soll jetzt künftig nur noch ein LEG Pflicht sein, auf das zweite können die Schulen verzichten. Auch die differenzierten „Lernentwicklungsbögen“, die die Lehrer bei den Gesprächen dabei hatten, sollen künftig wegfallen. Die verbliebenen Gespräche und Zeugnisse, so Rabe, böten genug Reflexion.

„Nicht alles ein bisschen, sondern das Wichtige richtig machen“, ist Rabes Maßnahmen-Katalog überschrieben, der auch Unstrittiges enthält. So müssen Lehrer derzeit drei Tage vor Ende der Sommerferien schon an den Schulen den Unterricht vorbereiten. Diese „Präsenztage“ werden auf zwei reduziert. Außerdem müssen nur noch jene Stadtteilschüler die Hauptschulprüfung machen, die nach Einschätzung der Zeugniskonferenz keinen Realschulabschluss schaffen.

Die Lehrergewerkschaft GEW ist mit der Einschränkung der LEGs einverstanden. Es sei positiv, „dass sich überhaupt etwas tut in Richtung Entlastung“, sagt der Vorsitzende Klaus Bullan. Allerdings blieben Rabes Ankündigungen „hinter den Erwartungen zurück“. Nötig wären weitere Entlastungen und eine generelle Überprüfung des 2003 eingeführten Lehrerarbeitszeitmodells.  KAIJA KUTTER