Blair misstraut den Richtern

Im Zuge der Verschärfung der Antiterrorgesetze sollen auch Richter auf Unbedenklichkeit hin überprüft werden

Der Liberaldemokrat Simon Hughes: „So kann man den Terrorismus nicht bekämpfen“

DUBLIN taz ■ Nicht alle Richter sind vertrauenswürdig, findet die britische Regierung. Premierminister Tony Blair will ein Verfahren durchsetzen, wonach ein Richter, der eine Voruntersuchung für einen Terrorismusprozess leiten soll, zuvor auf seine Unbedenklichkeit überprüft werden muss. Eine ähnliche Regelung gibt es in Frankreich. Sie sei auch für Großbritannien notwendig, sagte die Regierung, weil ein Richter bei der Vorbereitung des Hauptverfahrens Zugang zu Geheimdienstmaterialien bekomme.

Der zuständige Richter soll auch entscheiden, wie lange jemand festgehalten werden darf, bevor Anklage gegen ihn erhoben werden muss. Bisher muss dass binnen 14 Tagen geschehen, die Polizei wünscht sich jedoch drei Monate. Darüber hinaus sollen Terrorverdächtige bei diesen Vorverfahren durch Sonderanwälte vertreten werden, die sich ebenfalls bescheinigen lassen müssen, dass sie kein Sicherheitsrisiko darstellen. Über die Beweise gegen ihre Klienten müssen sie Stillschweigen bewahren, bis Anklage erhoben wird.

Die neue Rechtsprozedur ist Teil des 12-Punkte Plans, der „einen umfassenden Handlungsrahmen für den Umgang mit der Terrorgefahr in Großbritannien“ bieten sollen, wie Blair vor acht Tagen andeutete. Dabei geht es um vereinfachte Regeln für Auslieferung, Deportation und Hausarrest. Wer den „Terrorismus in Großbritannien und anderswo rechtfertigt oder verherrlicht“, soll sofort abgeschoben werden, falls er Ausländer ist, oder unter Arrest gestellt werden, falls er Brite ist.

Blairs Vorhaben, die radikalen islamischen Organisationen Hizb-ut-Tahrir und al-Muhajiroun verbieten zu lassen, ist ebenfalls nur durch eine Gesetzesänderung zu realisieren, denn nach geltendem Recht dürfen nur terroristische Gruppen verboten werden. Das Innenministerium hat eine Liste „unakzeptablem Verhaltens“ veröffentlicht, das künftig für ein Organisationsverbot ausreichen soll. Blair hat den Parteien einen Monat Beratungszeit über die Gesetzesvorschläge eingeräumt, die Verabschiedung ist für Herbst geplant.

Mehrere Bürgerrechtler und Unterhausabgeordnete haben Blairs Vorschläge scharf kritisiert. „Der Premier hat offenbar eine Reihe von Merkzetteln auf seinem Schreibtisch liegen lassen, auf denen seine Leute angewiesen werden, eine unausgegorene Idee nach der anderen auszustreuen“, so der liberaldemokratische Politiker Simon Hughes. „So kann man den Terrorismus nicht bekämpfen.“ RALF SOTSCHECK