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wortwechselDas Ende der Welt, wen kümmert es?

Qual im Lush-Laden. Erderhitzung und Klimastreik. Etwas über Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf. Dazu die ewige Auseinandersetzung über die BDS-Kampagne

Bunte Kosmetikwelt. Macht krank Foto: reuters

Penetrantes Odeur

„In der Wanne hört dich niemand ­weinen“, taz vom 3./4. 8. 19

Lush, dieser Marktführer für teure Kosmetik mit Feelgood-Faktor, ist das Scheußlichste, das den deutschen Fußgängerzonen in den letzten Jahren angetan wurde. Wenn es geht, versuche ich strategisch, bevor ich in die Innenstadt gehe, die jeweilige Windrichtung herauszubekommen. Dann kann ich taktisch überlegen, wie ich den Lush-Laden am besten umgehe. Ansonsten eröffnet sich der Standort dem geneigten Flaneur schon über Hunderte von Metern mit seinem penetrant aufdringlichen Odeur. Mir steigen Tränen in die Augen und die Nebenhöhlen schwellen an. Wenn schon dran vorbei, dann auf jeden Fall schnell! Rein? Niemals. Und balsamieren lassen? Schon gar nicht!

„Was ist, wenn die Kunden das nicht wollen?“ „Die allermeisten lassen das gerne mit sich machen.“ Genau. Genau die, die keine Hemmschwelle haben und tatsächlich in diese Läden hineingehen. Die lassen alles mit sich machen! Selbst als angestelltes Personal. Hörsturz, Panikattacken und schlechte Haut, Pickel inmitten von Gels und Cremes könnten vielleicht schon allein Gels und Cremes ausgelöst werden. Hans-J. Reich, Braunschweig

Zu hoch gegriffen

„Dem Ernst der Lage angemessen“, taz vom 5. 8. 19

Die Erwägungen der Bewegung Fridays for Future (FFF), für den 20. September zum Generalstreik aufzurufen, ist bezüglich der Streikbereitschaft der Bevölkerung mehrere Konfektionsgrößen zu hoch gegriffen. FFF-Teilnehmer sind ein kleines Häufchen im Vergleich zur Schülerschaft, den organisierten Arbeitnehmern in Chemie oder Metallverarbeitung, ganz zu schweigen vom Interesse der vielen Nichtorganisierten oder gar der Mehrheit konservativer Veränderungsverweigerer. Hier kann sich FFF nur übernehmen.

Völlig angemessen sind die Pläne bezüglich des bereits eingetretenen Klimawandels. Es genügt, am Drücker zu bleiben, ohne sich zu Lösungsvorschlägen hinreißen/verführen zu lassen.

Beim letzten Generalstreik 1948, kurz nach der Währungsreform, wurde wegen exorbitanter Preiserhöhungen gestreikt, die alle Menschen betrafen. Gegen Ludwig Erhard, Befürworter der freien Marktwirtschaft, wurde die soziale Marktwirtschaft durchgesetzt. Die steigende Erd­erhitzung ist dagegen eine erdumspannende Entwicklung weit, weit größeren Umfangs.

Die Einschätzung der Kommentatorin Anett Selle, dass sich die Erhitzung wahrscheinlich auf 3,2 Grad begrenzen ließe, ist außerhalb jeder Vorstellung. Denn über 2 Grad liefern die Klimarechenmodelle mehrere Lösungen, taugen also nicht zu Vorhersagen. Artenschwund, Wetterveränderungen und Extremwetter sowie Wasserstände sind bei jetzt 1 Grad schon deutlich. Die 2 Grad als noch verträgliches Ziel waren 1992 in Rio zu hoch gegriffen. Seither wurde der CO2 Ausstoß sogar durch Wachstum um 50 Prozent erhöht. Söders „Einsicht“, bis 2030 aus Kohle und Verbrennungsmotoren auszusteigen, muss Ergebnis des Klimakabinetts Berlin werden. Klaus Warzecha, Wiesbaden

Für die lesefähige Elite

„Geplatzte Seifenblase“, taz vom 27./28. 7. 19

Für mich war das Hochamt des Wochenendes der Text von Niko Paech. Schon seltsam, wir wissen es und keine/r realisiert es. „This is the end of the world, as we know it …“(R.E.M.), wenige kümmert’s. Der Text sollte allen vorgelesen werden!

Nur, ich musste manches dreimal lesen und hab’s genossen, als ich’s begriffen hatte. „Das propagierte und bequemste aller problemlösenden Regulative, nämlich ein technischer Wandel der Versorgungssysteme, versprach ein auf ständiges Wachstum angewiesenes Wohlstandsmodell von ökologischer Zerstörung zu entkoppeln.“ So brillant wie zutreffend, aber einer lesefähigen Elite vorbehalten. Und genau da liegt ein Problem, wer von uns erliest sich solche Texte, akzeptiert und handelt dann entsprechend? Heinz Kurtenbach, Much

Etwas unausgewogen

„Die dunklen Seiten des Anführers“, taz vom 6. 8. 19

Durch meine Herkunft und die elterliche Prägung verspüre ich eine gewisse Nähe zu dem Verein Schalke 04. Ohne Frage sind die Äußerungen von Herrn Tönnies widerlich und rassistisch und wurden zu Recht in der taz kommentiert. Was ich mich allerdings frage: Warum wird an keiner einzigen Stelle in der taz auf die Affäre Dickel/Owomoyela eingegangen?

Ich möchte nicht die beiden Fälle gleichsetzen. Aber eine gewisse Unausgewogenheit in Ihrer Berichterstattung ist ja wohl mit Händen zu greifen. Hängt das vielleicht damit zusammen, dass die Herren Dickel und Owomoyela unter der BVB-Fahne sind?

Eine große Einseitigkeit in Ihrer Berichterstattung zugunsten von Borussia Dortmund ist offensichtlich. In der letzten Saison gab es gefühlt kaum eine Montagsausgabe nach einem Bundesligaspieltag ohne eine sehr wohlwollende Berichterstattung über deren Spiel mit teilweise hanebüchenen Kommentaren wie dem, dass das Abschneiden des BVB die größte Sensation der Saison sei. Was, bitteschön, ist daran so sensationell, wenn der Verein mit dem zweitgrößten Etat Zweiter wird? Warum berichten Sie nicht einmal von den wirklichen Überraschungen der Saison wie dem Abschneiden von Fortuna Düsseldorf, über den Sie in der Saisonvorschau schrieben, er würde „sowieso“ absteigen? Christoph Höhle, Alfter

Es geht um 1948 und 1967

„Es geht um 1948, nicht um 1967“, taz vom.3./4. 8. 19

Ulrich Gutmair versucht sich in der Abwertung der Bewegung Boycott, Divestment, Sanctions (BDS) mit differenzierter Argumentation. Trotzdem spart er nicht mit demagogischen Ausfällen. Kernpunkt seiner Kritik: BDS wolle die Zerschlagung des „jüdischen und demokratischen Staates Israel“. Es gehe um 1948, nicht um 1967.

Ja, es geht BDS tatsächlich um beides: Was unter „Beendigung der Besetzung und Kolonisierung arabischen Landes“ zu verstehen ist, hat das BNC (Boykott-Nationalkomitee in Ramallah) in einem Schreiben an den Münchener Stadtrat von November 2017 ausgeführt: Es geht um das Westjordanland und den Gazastreifen. Und 1948 ist das Jahr der „Nakba“: Rund 700.000 PalästinenserInnen wurden vertrieben (was Gutmair nicht bestreitet), an einer Rückkehr gewaltsam gehindert, ihre Besitztümer zerstört oder an jüdische ImmigrantInnen verteilt. Mit der Forderung nach einer Umsetzung des Rückkehrrechtes bezieht sich BDS auf die UN-Resolution 194, die auch Israel akzeptieren musste, als es in die UN aufgenommen wurde. Aus Meinungsumfragen ist bekannt, dass nur etwa 30 Prozent der Rückkehrberechtigten ihr Recht tatsächlich in Anspruch nehmen wollen. Es geht darum, dass Israel das Unrecht der Vertreibung anerkennt und zu Verhandlungen über Rückkehr oder Entschädigung bereit ist.

Und schließlich noch einmal das „Existenzrecht Israels“: In welchen Staatsformen Israelis und PalästinenserInnen in Zukunft leben können (Zweistaatenlösung, binationaler Staat, Konföderation), sollte ohne Diskriminierung und Diffamierung in einem kritischen Diskurs behandelt werden können. BDS hat bewusst keine Aussage zu dieser Frage gemacht. Rainer Kandler, Bonn

Schick für Schwarz-Grün

„Grüne machen sich locker für neuen Militäreinsatz“, taz vom.6. 8. 19

Was ist eigentlich los mit der einstigen Friedenspartei die Grünen? Früher kämpften sie gemeinsam mit Friedenskämpfern gegen Atomwaffen der USA und waren strikt gegen jede Art von sogenannten friedlichen Militäreinsätze der Bundeswehr! Und heute machen sie sich schick für eine schwarz-grüne Regierung und überlegen sogar, die Bundeswehr im Mittleren Osten vermehrt mitspielen zu lassen! Das ist indiskutabel, denn es sollte heißen, keine weiteren Militäreinsätze der Bundeswehr außerhalb der EU-Grenzen.Oder wo sind die Grenzen jetzt? René Osselmann, Magdeburg

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