Durchwachsener Beginn des Dreikampfs

Team der Woche: UEFA-Cup-Gewinner und Pokalsieger Turbine Potsdam startet mit einem wenig überzeugenden Sieg in eine von großen Erwartungen geprägte Saison. Die Potsdamer leiden unter dem Verlust vieler Leistungsträgerinnen

Erst die Hilfe des Stadionsprechers brach den Bann gegen den VfL Sindelfingen

Fußball in Zeiten von Wahlkampf ist so eine Sache. Seitdem der frühere Kicker des TUS Tulle und jetzige Bundeskanzler, Gerhard Schröder, grünes Licht für Neuwahlen bekam, suchen die Sozialdemokraten die Nähe zu Sympathieträgern – und in Potsdam ist das der Frauen-Fußball-Bundesligist 1. FFC Turbine. So nutzte Brandenburgs roter Ministerpräsident Matthias Platzeck die Halbzeit, um sich für ein Nachwuchsprojekt zu bedanken. „Turbine hat uns viel Freude gemacht“, säuselte Platzeck am Mittelkreis ins Mikro, aber die Auftaktpartie gegen den VfL Sindelfingen kann er nicht gemeint haben.

Das 3:0 (2:0) gegen die Damen aus Schwaben war eine eher unerwartete Überraschung. Die von Beobachtern zuvor klar erwarteten Unterschiede – Technik, Kombination und Konstitution – zwischen Pokal- und UEFA-Cup-Sieger einerseits und dem Aufsteiger kamen selten zum Vorschein. Beim Personal von Turbine-Trainer Bernd Schröder gingen viele Aktionen daneben oder sie blieben im vielbeinigen Sindelfinger Abwehrbollwerk hängen.

Erst die Hilfe des Stadionsprechers brach den Bann: Er hatte gerade Siege von Turbines ärgsten Konkurrentinnen der vergangenen Saison, 1. FFC Frankfurt (5:3) und Duisburg (6:0), verkündet, als Navina Omilade (16.) und 6 Minuten später Jennifer Zietz das Leder im gegnerischen Tor unterbrachten; Inken Becher gelang vor 1.362 Zuschauern noch der dritte Treffer (69.), wobei kurz zuvor Turbines Schlussfrau Nadine Angerer die beste Gästechance durch Elina Akst vereitelt hatte.

„Wir sind hier nicht angetreten, um zweistellig zu gewinnen“, relativierte Turbine-Trainer Bernd Schröder den durchwachsenen Auftritt seiner Eleven und sah sein Team bei nur „60 Prozent“. Für Erfolg im nationalen Titelkampf wird es sicherlich eines bisschen mehr bedürfen.

Turbine beendete nämlich die vergangene Spielzeit nur auf Rang 3, nachdem die Schröder-Truppe in den Jahren davor entweder selbst Meister wurde oder zumindest auf Platz 2 abschloss – immer war es ein sehr enger Zweikampf mit den Spielerinnen aus Frankfurt, die mit Birgit Prinz die erfolgreichste deutsche Kickerin in ihren Reihen führen.

Doch im vergangenen Spieljahr betrug Turbines Differenz zu Frankfurt erschreckende 14 Zähler und auch 7 Punkte zu Duisburg, für das die Top-Torjägerinnen Shelley Thompson und Inka Grinks stürmen. Aus dem einstigen Zweikampf mit Frankfurt ist also inzwischen ein Dreikampf geworden.

Da fragt sich, wie der 22-Kader um Spielführerin Ariane Hingst die Dreifachbelastung – Titelverteidigung im UEFA-Cup und Pokal sowie Meisterschaft – diesmal wegsteckt, zumal die Einsätze für die sechs Nationalspielerinnen, die im Sommer Europameisterinnen wurden, auch an der Substanz zehren.

Überdies haben versierte Kräfte den Verein verlassen: Nationalspielerin Viola Odebrecht nimmt in den USA ein Auslandssemester, Sonja Fuß zog es zurück nach einem halben Jahr zu ihrem Heimatverein Brauweiler-Pulheim. Gerade der Weggang von Goalgetterin Viola Odebrecht, die in der vergangenen Saison 37 Tore in Bundesliga, UEFA-Cup und DFB-Pokal erzielte, könnte schmerzen.

Schmerzlich war auch der Auftritt der Brasilianerin Christiane: Die Linksfüßerin kam trotz ihrer neun Treffer schon in der abgelaufenen Saison nicht so zum Zug wie von Schröder gewünscht, und auch heute sah der 63-Jährige die Olympia-Zweite von Athen „höchstens bei 15 Prozent“ ihres Leistungsvermögens. Sollen die Saisonziele – Pokalsieg und Finalteilnahme im UEFA-Cup – erreicht werden, müssen die Potsdamerinnen ihre Turbinen auf voller Kraft laufen lassen. Nur 28 Prozent – wie Meinungsforschungsinstitute aktuell der SPD attestieren – werden dazu sicherlich nicht reichen. MARCUS VOGT