Alt-Marxist trifft Antifa-Kid

FESTIVAL Am Wochenende feiert der Golden Shop in der Spedition fünfjähriges Jubiläum mit hochkarätigem Programm. Interview mit einer Buchhändlerin

■ 32, betreibt seit September 2007 die Buchhandlung „The Golden Shop“ im Viertel.

INTERVIEW RADEK KROLCZYK

taz: 5 Jahre Golden Shop „Independent Book- & Record-Store“ – beginnt diese Zeitrechnung im Ladenlokal hier im Fehrfeld oder auf den 8 qm im Flur Ihrer Wohngemeinschaft?

Ausma Zvidrina: Die beginnt hier. In der Tat wohnte ich damals mit einem anderen Buchhändler und jemandem, der Schallplatten verkaufte, in einer WG. Wir haben dort ein Jahr vor der Eröffnung einen kleinen Laden betrieben, mit zwei Plattenkisten und drei Regalmetern Bücher. Einen Nachmittag die Woche hatten wir geöffnet, es kamen selten mehr als fünf Leute, meistens Freunde, später auch Fremde, die unsere Flyer in die Hände bekommen haben.

Wie kam es zu diesem „kleinsten Buchladen“ Bremens?

Meine Mitbewohner und ich kommen aus einem subkulturellen Kontext. Wir haben zunächst auf Punk- und Indie-Konzerten Platten und Bücher verkauft. Zu Hause mussten wir die Sachen irgendwo lagern und haben daraus dann diesen Shop gemacht. Ich fand es außerdem frustrierend, dass die Bücher so schlecht liefen. Sobald sie aufgemacht wurden, stürzten sich die Leute auf die Plattenkisten, während die Bücher links liegen gelassen wurden.

Wann entstand die Idee, einen richtigen Buchladen zu eröffnen?

Die war schon immer da. Ich habe Ende der 90er-Jahre eine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht. Schon damals schwebte mir ein eigener Laden vor, in dem es ein ganz bestimmtes Programm gibt, in dem nur Bücher angeboten werden, die ich selbst gut finde.

Was sind gute Bücher?

Ich stehe total auf Romane, meine Auswahl ist da sehr subjektiv, allerdings mag ich da sehr unterschiedliche Sachen. Mir ist es außerdem sehr wichtig, eine große Auswahl an Büchern zu linker Politik und Jugendsubkultur zu haben. Daneben gibt’s hier auch jede Menge Streetart- und Graffitibände und eine Comic-Etage. Das gab es vorher in Bremen nicht. Wenn es nicht gibt, was man gerne hätte, muss man es eben selber machen.

Wie wird der Golden Shop angenommen?

Sehr gut. Manche behaupten sogar, der Laden hätte sie zum Lesen gebracht. Das gefällt mir.

Was bedeutet das?

Viele Leute kaufen heute bei Amazon ihre Bücher und es gibt einige, die ich da weggeholt habe. Denen war die Situation ganz fremd, dass man in einen Buchladen geht und sich dort darüber unterhält, was man liest, darüber diskutiert. Das finde ich super. Die haben vorher eher wahllos gelesen.

Buchhändlerin scheint ein sehr verantwortungsvoller Job zu sein.

Klar. Häufig kommen Schüler, die sich gerade anfangen zu politisieren und für Subkultur zu begeistern beginnen. Denen tolle Bücher zu zeigen und sie in ihrer Entwicklung zu begleiten, ist phantastisch. Genau das ist meine Aufgabe.

■ Freitag, 21 Uhr, Friese:

■ Christiane Rösinger, laut Thomas Winkler die „bedeutendste lebende Songschreiberin Deutschlands“,

■ Pretty Lightning, Psychedelic-Blues-Duo aus Saarbrücken,

■ Allie Parker, früher als „Allie Total Blam Blam“ aktiv,

■ Felix Kubin, Elektronik-Musiker, Betreiber von Gagarin Records

Samstag, 21 Uhr, Friese:

■ Jan Off, altgediente Social-Beat-Ikone,

■ Blood Beach, Garage-Band aus Portland mit Horror-Film-Affinität,

■ Merkwürdig Riechen, wahldeutsches Duo aus Amerika mit Noise-Affinität,

■ Oiro, Düsseldorfs Antwort auf Dackelblut, Angeschissen, Oma Hans.

Wer kommt sonst in den Golden Shop?

Anfänglich hatte ich hauptsächlich Szene-Publikum. Das hat sich inzwischen geändert, es kommen sehr unterschiedliche Leute. Mir ist es wichtig, ein breiteres Publikum zu haben und sich nicht so szenemäßig einzukapseln. Ich mag es, wenn hier 16-jährige Antifa-Kids auf gestandene Alt-Marxisten treffen und wilde Diskussionen entstehen.

Manche begreifen den Golden Shop auch als Kulturzentrum.

Der Golden Shop ist natürlich auch ein Treffpunkt. Mit meinen Freundinnen und Freunden habe ich deshalb auch schon viele Lesungen und Konzerte hier veranstaltet. Am Anfang hatten wir mal die Emocore-Band Gaslight Anthem hier. Die spielten ein Akustikkonzert. Ihre Managerin von Universal konnte es kaum fassen. Auch Dietmar Dath hat hier mal gelesen.

Wie kommt ein so kleiner Buchladen eigentlich zu so einem hochkarätigen Programm, mit Felix Kubin und Christiane Rösinger, zu seinem 5. Geburtstag?

Diese Leute machen richtig tolle Sachen, der Laden hat ein tolles Angebot. Ist es ein Wunder, dass man sich mag?