Mütter wollen Grenzen setzen

Die Kreuzberger Initiative „Mütter ohne Grenzen“, mit der sich Türkinnen gegen Drogendealer wehren, demonstriert am Kotti. Seit kurzem patrouillieren die Frauen nachts durch den Kiez

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Selbst ein Drogenabhängiger hat unterschrieben. Auch er will, dass der Kiez für Kinder sicher wird, betont der Mann. „Dealer raus aus Kreuzberg!“ steht in Deutsch und Türkisch über den Unterschriftenlisten, die die kürzlich gegründete Initiative „Mütter ohne Grenzen“ gestern Nachmittag am Kottbusser Tor auslegte. Rund zehn Frauen und ein Mann machen mit Megafon und Topfschlagen auf ein Problem aufmerksam, das manche schon seit einem Jahrzehnt „ankotzt“. „In unseren Hinterhöfen, vor unseren Haustüren liegen gebrauchte Spritzen herum, und es wird gedealt“, schimpft eine der Frauen, selbst Mutter zweier Söhne im Teenageralter. Schon lange habe sie versucht, Unterstützung im Kampf gegen diese Zustände zu bekommen: Sie hat Dealer angesprochen, bat die Polizei um Hilfe, nichts passierte. Jetzt müsse man selbst die Initiative ergreifen.

Güner Arkis, seit 37 Jahren im Kiez, Mutter dreier fast erwachsener Kinder, meint, dass der Drogenhandel um die Waldemarstraße und im Mariannenkiez in den vergangenen Jahren stark zugenommen habe. „Wir wollen das Problem endlich beim Namen nennen.“ Dabei sei die Unterschriftensammlung nur der erste Schritt. „Wir werden nicht davor zurückschrecken, drastische Maßnahmen einzusetzen“, warnen die Mütter ohne Grenzen.

Was das sein könnte, darüber habe man noch nicht beraten, sagt Arkis. Aber vorerst soll der abendliche Kontrollgang durch den Kiez reichen. Ausgestattet mit Taschenlampen, patrouillieren die Mütter ab Mitternacht über die Oranien- in die Mariannen- bis hin zur Waldemar- und Naunynstraße. Dabei leuchten sie in Hinterhöfe und in die Kneipen. „Wir machen nichts, wir zeigen uns nur“, erklärt Arkis die Aktion. Erste Erfolge gebe es schon, meint sie. Am Samstagabend seien ihnen keine Dealer mehr dort begegnet. Früher hätte es dort von ihnen nur so gewimmelt.

„Die Väter sind ängstlicher als ihre Frauen“, sagt Ismail Aydin, der seine Frau zur Kleindemo begleitet. „Viele Männer meinen, das sei Sache der Polizei, oder sie halten das Problem für aufgeblasen“, erklärt er die Stimmungslage. Er ärgert sich über das Desinteresse seiner Geschlechtsgenossen, die er immer wieder im Café dazu anspricht. Zahlreiche Väter seien auch in Gewissensnot, meint Ercan Yasaroglu, Sozialarbeiter im Kiez. Als Mitwisser oder sogar aktiv Beteiligte im Drogenhandel wollte die Initiative die „unsauberen“ Männer auch gar nicht unbedingt dabeihaben.

Der einzige Mann, der wie die Frauen auch ein weißes Leinenhemd mit Protestspruch trägt, kommt aus Thailand und heißt Johny Weeraehart. Er arbeitet in verschiedenen Hilfsprojekten und „will einfach die Frauen hier unterstützen“.