IDIOTEN UND VOLLIDIOTEN
: Ständige Todesangst

Die Mittemütter haben ihren Kindern die Ohren zugehalten

Wenn ich Fahrrad fahre, dann besteht meine Welt aus Feinden, Idioten und Vollidioten. Autos sind schon schlimm, Taxis sind die Pest, dann kommen noch Sonntagsfahrradfahrer und Fußgänger dazu. Man kann sich doch im Grunde jedes Mal nur beglückwünschen, wenn man heil, und ohne einen Mord begangen zu haben, am Zielort ankommt.

Bloß blöd, wenn man alte Bekannte trifft: „Lea, du bist gestern mitm Rad an mir vorbeigefahren! Als ich dir winken wollte, hast du mich angepöbelt, ich soll mich vom Radweg verpissen.“ Es tut mir leid! Ehrlich! Aber wie soll man nicht aggressiv werden in ständiger Todesangst? Neulich Alte Schönhauser/Ecke Linienstraße hinter mir zwei Autos. Ich halte den linken Arm raus, weil ich links abbiegen will, warte, ob die mich überholen, das Auto hinter mir wartet. Also schlage ich nach links ein. Ich bin in der Mitte der Fahrbahn, da überholt der zweite Wagen den ersten und schneidet mich so, dass ich fast umkippe und beinahe in die Straßenbahnschiene gerate. Die Mittemütter haben ihren Kindern die Ohren zugehalten, so hab ich geflucht.

Für genau solche Gelegenheiten will ich mir einen Korb für den Lenker zuzulegen für griffbereite faule Eier und Tomaten. Wenn einen dann wieder so ein Penner fast umnietet, einfach schön batsch! – voll Karacho auf die Windschutzscheibe.

Gestern treffe ich meinen Lieblingsonkel. Er hat eine Firma und einen Dienstwagen. Manchmal streiten wir uns über das Verhalten von Radfahrern und Autos im Straßenverkehr. „Neulich vor mir eine Frau“, erzählt er, „Sie wollte links abbiegen, ich rechts?“ Oh, nee, denke ich, bitte nich! und frage „Alte Schönhauser/Ecke Linienstraße?“ Er lächelt. „Sag nich, dass du das warst!“, sage ich. „Nein“, sagt er, „der hinter mir. Eigentlich wollte ich dich auf den Schreck zum Kaffee einladen, aber dann hab ich mich nicht mehr getraut.“

LEA STREISAND