OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

In einer Unterreihe seiner Filmserie „Photographie und jenseits“ spürt der deutsche Filmemacher Heinz Emigholz seit 1993 den Themen Architektur und Baugestaltung nach. Diese Reihe wird er nun in einer weiteren 3-teiligen Unterreihe („Aufbruch der Moderne“) zu ihrem Ende bringen. Teil 1 („Parabeton – Pier Luigi Nervi und römischer Beton“) und 2 („Perret in Frankreich und Algerien“) sind bereits abgedreht: Während „Perret“ zurzeit gerade seinen Weg durch die internationalen Festivals nimmt, war „Parabeton“ vor Kurzem in den Berliner Kinos ein überraschender Erfolg beschieden. Jetzt sind noch einmal zwei Termine avisiert für den Film, in dem Emigholz das Schaffen des italienischen Bauingenieurs Pier Luigi Nervi (1891–1979) dokumentiert, der eine Reihe von bedeutenden modernen Betonbauten schuf, darunter auch die Audienzhalle des Papstes. Bauten, denen oftmals Kuppeln mit netzartigen „Gewölben“ zu eigen sind, ebenso wie kühn geschwungene Treppenkonstruktionen, die das Material Spannbeton an seine Grenzen zu führen scheinen. Emigholz erfasst die Gebäude in ihrem Ist-Zustand, das heißt sowohl in ihrer Nutzung durch den Menschen als auch in ihrer möglichen Verwitterung, die zur Geschichte der Gebäude unbedingt dazugehört. Ergänzt werden die wie immer unkommentierten und mit einem aus Originaltönen komponierten Soundtrack versehenen Bilder von Nervis Werken um Aufnahmen von Bauten der römischen Antike – denn schon die alten Römer kannten eine Art von Beton. Emigholz erfasst die Bauten in starren Kameraeinstellungen, montiert seine Bilder jedoch so beweglich, dass dem Betrachter der Weg um oder durch das Gebäude gewissermaßen „vorgeschlagen“ wird. Zu einem Gesamtbild zusammensetzen muss man die Bilder aber selbst. (10. 9., 12. 9., Babylon Mitte)

„Früher haben wir uns nicht angeschrien.“ „Da haben wir uns auch nicht unterhalten.“ Um die Ehe von Schuldirektor Toby Teasdale und seiner Frau Celia scheint es gerade nicht so toll zu stehen. Das könnte in Alain Resnais’ Doppelfilm „Smoking/No Smoking“, den der französische Regisseur 1993 nach acht von Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri für das Kino adaptierten Stücken des britischen Bühnenautors Alan Ayckbourn schuf, aber auch alles ganz anders sein – je nachdem, ob Celia beim Frühjahrsputz nun eine Rauchpause einlegt und dabei dem Hausmeister Miles Coombes begegnet, oder eben nicht. Und derart kleine, scheinbar nichtige Entscheidungen werden alle weiteren Personen, die sich hier im ländlichen Yorkshire versammelt haben und im Übrigen ebenfalls allesamt von Sabine Azéma und Pierre Arditi verkörpert werden, in gleicher Weise betreffen. Mit „Smoking/No Smoking“ führt Resnais sein Kino aller Möglichkeiten fort: als melodramatische Komödie um das Glücksstreben, mit der für seine Filme so wichtigen Emphase auf Wiederholung und Variation und mit einem bewusst theatralen Arrangement als antirealistisches Element der Inszenierung. (No Smoking (Omu), 10. 9., Smoking (OmU), 11. 9., Arsenal 1) LARS PENNING