Ziemlich altbacken: Nuclear Family feiern Geburtstag mit Lars von Trier, und Les Blaque Pearlz setzen auf Trennkost

So unterschiedlich sie erst einmal klingen mögen, eins haben Nuclear Family und Les Blaque Pearlz auf jeden Fall gemeinsam: Ihre Idee von Musik wirkt selbst in diesen postpostpostmodernen Zeiten, in denen doch alles friedlich nebeneinander möglich scheint, ein wenig altbacken – das allerdings aus sehr verschiedenen Gründen.

So bedient sich die Nuclear Family nicht nur aus den achtziger Jahren, wie das momentan so ziemlich jeder andere Musikant auch tut. Nein, die mittlerweile in Berlin wohnhaften Dänen Nikolaj Tange Lange und Andreas Tange Lange inszenieren sich zwar als bunte und ziemlich ledrige S/M-Show, verzichten musikalisch aber auf jede Modernisierung. Stattdessen wirkt der erheblich angedunkelte Synthie-Pop auf ihrem dritten Album „Crime“ wie direkt herbeigebeamt aus jenem Jahrzehnt, an das sich angeblich nur noch Menschen erinnern können, die nicht dabei gewesen sind.

Nuclear Family allerdings sind wohl jung genug, um garantiert nicht dabei gewesen zu sein, umso detailgetreuer gelingt ihnen die Rekonstruktion, mit der sie bereits sowohl beim 50.Geburtstag von Lars von Trier als auch auf Soundtracks für alternative Pornofilme reüssierten: Von den eingestreuten Film-Dialogzeilen über die arg stupiden Sequenzer-Rhythmen bis zum aseptisch-kühlen Gesangsstil, der die von Leuchtstoffröhren erhellte Atmosphäre damaliger Kneipen stimmig nachempfindet. Am deutlichsten wird dieses Prinzip vorgeführt mit „Wild Boys“, das allerdings weniger eine Coverversion des Duran-Duran-Hits von 1984 ist als eine radikale Umarbeitung, die allerdings ausgerechnet den Glamour der Vorlage außer Acht lässt. Im Refrain von „Sleep When I Get Old“ schließlich lassen hübsch miteinander verschachtelte Stimmen das ebenfalls von damals stammende Bonmot wiederaufleben, nachdem man all den Schlaf, den man jetzt zugunsten des Amusements auslässt, ja nachholen kann, wenn man dann mal alt ist.

Oder gleich so tot wie manche der Vorbilder von Les Blaque Pearlz. Denn der Baubeginn des Referenzsystems dieses Duos liegt sogar noch einmal zwei Jahrzehnte früher, in den Sechzigern: Nader Rahy, der die Richtung vorgibt und hauptberuflich Nenas Band Gitarre spielt, nennt die Beatles und Genesis als prägende Einflüsse. Viel weiter in die Neuzeit wagte er sich nicht, denn die von ihm ebenfalls verehrten Stray Cats bezogen sich ja wiederum auf die Fünfziger. Das alles ist auf „Happy Go Fuck You“ zu hören und dazu noch etwas Queen-artige Theatralik.

Les Blaque Pearlz machen immerhin nicht den Fehler, dieses Sammelsurium zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen zu wollen. Stattdessen probieren sie das Kraut und getrennt davon die Rüben, und das mit dem Erfolg, dass einzelne Songs zwar nicht eben zeitgemäß, aber dafür recht knackig klingen. Wenn Rahy und sein Mitstreiter Big G nun noch ihren infantilen Humor – vom Bandnamen über den Albumtitel bis zum Fuckfinger-zeigenden Dalai Lama – ablegen, dann könnte aus ihnen noch eine herrlich altmodische Rockband werden. THOMAS WINKLER

■ Nuclear Family: „Crime“ (über nuclearfamily.bandcamp.com), Record Release Party 8. 9., Supamolly ■ Les Blaque Pearlz: „Happy Go Fuck You“ (digital über Amazon oder iTunes), live am 6. 9., Wabe