Mit Radfahren die Welt retten

Würden mehr Menschen Fahrrad fahren, ginge es der Welt viel besser. Die Polkappen würden aufhören zu schmelzen, Angela Merkel hätte ihre Ruhe, und sogar die Wirtschaftskrise wäre bald Geschichte. Unser Fotograf Joachim E. Röttgers hat sie fotografiert – unsere Helden, die Radfahrer

Fotos von Joachim E. Röttgers

Radfahren ist Leidenschaft: Wie sie sich quälen, schwitzend durch Haupstädte, auf dem Radwegenetz um den Bodensee, durch Deutschland, den Himalaya hoch, durch den Kongo, durch den Dschungel, über Straßen, die kaum einer jemals mit dem Auto gefahren ist und kaum einer überhaupt je mit dem Auto fahren wird. Dann stehen sie da, 45.000 Kilometer später, der Schweiß rinnt unterm Helm hervor, glücklich, beseelt. Knusprige Waden wachsen aus buntem Lycra. Leckere Sixpacks werden von hautengen Trikots betont. Keck ragen knackige Backen rechts und links des Fahrradsattels empor.

Keine Frage, Radfahren ist Liebe. „Folge mir, spricht die Serpentine, deshalb bin ich da“, schreibt der Schriftsteller und Radler Michael Klonovsky. „Sieh, wie vergleichsweise sanft ich mich emporwinde, einen eigentlich auf Rädern nicht zu bewältigenden Anstieg in fahrbare Abschnitte zerlegend.“

Wenn es Gott gibt, ist er mit Sicherheit Radler.

Sie verschmutzen die Umwelt nicht, bewegen sich lautlos, und vermutlich winken sie, wenn sie nicht eben verbissen über dem Lenker hängen. Radfahrer sind einfach gute Menschen. Und außerdem klug, denn der Ritt auf dem Zweirad steigert die Hirnaktivität. Albert Einstein soll die Relativitätstheorie auf dem Rad ersonnen haben, der erste, der drauf kam, im Internet zu publizieren, war Sheldon Brown, ein Fahrrad-Reparatur-Blogger – Gott hab ihn selig.

Und wenn nicht gedopt wird oder kein Lastwagen in die Quere kommt, ist Radfahren sogar gesund. Dänische Wissenschaftler haben die Auswirkungen von Radfahren auf den menschlichen Organismus untersucht. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass vor allem schnelles Fahren für die Gesundheit des Herzens förderlich ist. Schnelle Radfahrer leben offenbar im Durchschnitt rund 5,3 Jahre und schnelle Radfahrerinnen 3,9 Jahre länger. Wenn, wie gesagt, kein anderer Verkehrsteilnehmer die Radler runterbremst.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club hat im Tandem mit der AOK erst kürzlich die Kampagne „Mit dem Rad zur Arbeit“ durchgeführt. Radfahren ratz-fatz in den Alltag integrieren, radelnd den Blutdruck senken, Cholesterin abbauen, Herzrhythmus optimieren. Radfahren entlastet die Krankenkassen. Niedrigere Krankenstände, mehr Arbeitszufriedenheit. Tretend das Bruttosozialprodukt ankurbeln, global die Wirtschaftskrise wegradeln, was für eine hübsche Idee.

Vielleicht haben Politiker das schon immer geahnt. Jedenfalls ist das Rad das allerliebste Politikergefährt, zumindest in der Öffentlichkeit. Schneidig sitzt da Hans-Christian Ströbele auf dem Hollandrad und Winfried Herrmann verkehrsministergerecht auf dem Pedelec. Radfahren macht bürgernah. Man schiebt sich ja immerhin gemeinsam durch den Verkehr. Auch Bundesumweltminister Peter Altmaier fährt gerne Rad, zumindest wenn er Basisarbeit leistet und nicht gerade in Asse neben lecken Atomfässern steht. Dahin fährt er übrigens mit dem Auto.

Klar ist also: Radfahren ist eine tolle Sache.

Wenn also die ganze Welt nun anfangen würde, Rad zu fahren, gäbe es keine Autounfälle mehr. Die Polkappen würden endlich aufhören zu schmelzen. Alle Menschen wären hübsch und gesund. Die Krankenkassen könnten ihre Überschüsse an die darbende Weltwirtschaft abgeben, und Angela Merkel müsste sich keine blöden Sprüche mehr über ihre Frisur anhören, weil alle Parlamentarier dank Fahrradhelm eh zerknautscht aussehen würden.

Gott würde jedenfalls auf seiner Wolke sitzen und wäre stolz auf die Menschheit. Auf seine Radler. Hallelujah.