ANJA MAIER ÜBER TASCHENGELD
: Weg mit den Scheinen

DDR-Mark? D-Mark? Euro? Am Ende ist es doch nur Geld – mein Mann aber kann diese Ansicht nicht teilen

Ist doch nur Geld“, sage ich zum Mann, wenn der Polizeipräsident einen Brief schickt, in dem er fünfzig Euro wegen Raserei fordert. Der Mann, ein mittelschichtssozialisierter Bayer, verdreht die Augen. „Ist doch nur Geld?!“, schnaubt er, „das ist ja mal wieder so ein typischer Maier-Satz.“

Was soll ich sagen? Der Mann hat recht. Mein Verhältnis zu Geld darf getrost als sportlich bezeichnet werden. Ist welches da, gebe ich es aus. Ist es alle, kommt bestimmt bald wieder neues. Ich weiß, so kann nur reden, wer eine feste Stelle hat und weiß, dass spätestens am 29. des Monats die Summe x auf dem Girokonto landet. Also Leute wie ich.

Der Mann ist nicht so einer. Er ist „Freier“. Das schöne Wort ist keineswegs eine Kundenbeschreibung im körperökonomischen Sektor; das Wort „Freier“ bedeutet in seinem Fall, frei als Journalist zu arbeiten. Karl Marx hat einst den Begriff vom „doppeltfreien Lohnarbeiter“ entwickelt: Befreit von feudalistischen Fesseln, aber auch frei von Produktionsmitteln wird er in die Lohnsklaverei gezwungen. Im Fall des Mannes bedeutet das: viel Arbeit bei frei nach unten verhandelbaren Honoraren. Klar, dass so einer die Augen verdreht, wenn er eine wiedervereinigte Ostschlunze wie mich sagen hört: „Ist doch nur Geld.“

Wir sind seit über zwanzig Jahren ein Paar; aber diese Zeit reicht ihm offenbar nicht aus, zu kapieren, was ich mit meinem immer mal wieder eingestreuten Nur-Geld-Satz tatsächlich meine. Nämlich dass es Wichtigeres gibt.

Meine Mutter, eine kluge Frau, hat mir diesen Satz ins Erwachsenenleben mitgegeben. Sie gehört der Kriegskindergeneration an. Als junge Frau hat sie in der DDR Ökonomie studiert, und bis sie und mein Vater sich den ersten himmelblauen Trabant kaufen konnten, vergingen karge Jahre. Man kann also nicht behaupten, dass diese Frau ein lockeres Verhältnis zum Geld hätte. Dennoch war sie nicht davon abzubringen, dass es im Zweifelsfall besser sein kann, die letzten Scheine und Münzen rüberzureichen, als – nur mal zum Beispiel – todkrank zu sein. Gesundheit gibt’s nur einmal, Geld kommt möglicherweise wieder rein.

Zugegeben, auch meine Mutter hätte sich sicher gewünscht, ihrer Tochter statt dieses laxen Verhältnisses zum Geld auch ein gewisses Verantwortungsgefühl mitgegeben zu haben. Was ist mit Sparen, was mit Vorsorgen? Wie sieht’s aus mit der Vorbildwirkung auf die Kinder?

Nicht gut, muss ich sagen. Ich bin jetzt 46 Jahre alt. Inzwischen hantiere ich – nach der DDR- und der D-Mark – mit der dritten Währung, dem Euro. Ich habe erlebt, wie Ersparnisse anderer qua Gesetz halbiert wurden. Wie Eigentumsverhältnisse kippten. Und wie sich trotzdem alles irgendwie weiterdrehte. Irgendwo in diesem Getümmel bin auch ich mit diesem postpubertären Satz, der den Mann so aufregt: Ist doch nur Geld.

Anja Maier ist taz-Parlamentskorrespondentin Foto: Wolfgang Borrs