Konsumtod im Mainstream

Die Ikea-Neuheiten 2006 signalisieren vor allem: Die Lust an der Avantgarde ist weg

Das war ja der Trick dieses Möbelhauses, das ist der Kniff seiner Marketingexperten gewesen, um zum global wichtigsten Einrichtungshaus zu werden: Erfinde Produkte, die sich designerisch, farblich und überhaupt geschmacklich von den Zeugnissen Gelsenkirchener Barocks unterscheiden, welcher sich alle älteren Generationen bedienen – spiele mit frischen Farben, absolut klaren Linien und einer Produktlinie, die Transparenz verkörpert, wenigstens verheißt. Das hieß: keine Rüschen, keine süffigen Ornamente, keine verwaschenen Kolorisierungen, trotzdem Gemütlichkeit ohne brokatene Unentschiedenheit.

So – und nur so – konnte Ikea, diese ehemalige Bauernmarktbude aus Småland, nicht nur in Deutschland seit Anfang der Siebziger werden, was es auch außerhalb Europas wurde: ein trendsettender global design player, an dem ernsthaft nie der Verdacht kleben blieb, selbst nur Spießiges zu bieten. „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ hieß sein scheinfragendes Credo – und alle glaubten, Ikea sei mehr als eine Raumausstatterfirma für die schmaleren Portemonnaies.

Aber das scheint vorbei, und das beweisen die „Neuheiten 2006“, die andeuten, mit welchem Stil Ikea am Ball bleiben will. Um es gleich zu verraten: ein Desaster. Die Farben: überwiegend blass-hagebutten, fahl-moosgrün und ein ins Lavendelhafte schimmerndes Blau. Die Linie: geschwungen, wie auf dem hier abgebildeten Mikroschreibtisch. Keine Großzügigkeit mehr, nirgendwo diagonale Weiten oder fusselarme Webstücke.

Dafür Rüschen, Volants und krause Stoffe – Mikrostaubfängern gleich: Die Namen nicht mehr Kviga, Smille oder Billy – sondern Johan, Alve oder Hensvik. Nomenhaftigkeiten ohne Fantasiepotenzial. Angekommen im Mainstream: einfallslos.

Neulich sagte einer: „War bei Ikea. Nix gekauft.“ – „Gar nix? Auch nicht Teelichter an der Kasse?“ – „Nein. Die Kerzen gab’s auch bei Möbel Soundso auf der grünen Wiese.“ JAF