meinungsstark
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Die Ungleichheit der Waffen

„Innenministerium prüft Verbot von Combat 18“,

taz vom 27. 6. 19

„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Dieser Spruch von Brecht ist heute wahrer denn je. Die rechten Strukturen haben wohl nie aufgehört zu existieren. Nach dem Krieg ist das Auftauchen von Neonazigruppen immer als Phänomen von Einzelgruppen betrachtet und entsprechend behandelt worden. Bei Berichten über rechte Gruppen hat eine/r sich nur gewundert, dass die Materialien oft über den Atlantik gekommen sind und dass einige Gruppen auch sonst erhebliche finanzielle Unterstützung hatten. Aber Vernetzung war da allgemein noch ein Fremdwort. Das Internet hat das radikal geändert – aber auch das wird wohl immer noch nicht als ernsthaftes Problem betrachtet. Das rächt sich jetzt – wo Deutschland laut Fachleuten noch digitales Entwicklungsland ist und bei Aufklärungsarbeit oft eine eklatante „Ungleichheit der Waffen“ herrscht, und Unwille und Schwerfälligkeit der Behörden die Arbeit eher erschweren als fördern. Es ist schwer zu begreifen und zu ertragen, dass unter dem Mantel der Meinungsfreiheit – eines hohen Guts, das unbedingt erhalten bleiben muss – Personen ungehemmt angepöbelt, beleidigt und gar mit Gewalt oder Tod bedroht werden können, ohne dass dies für die Betroffenen Folgen hat – für die Täter als Strafe oder für die Zielpersonen als Schutz. Die aktive Berichterstattung der taz ist höchst lobenswert – auch wenn die behördlichen Äußerungen immer noch eher klingen wie: „Sie wollen nur spielen.“ Ulla Putze-Breidenstein, Berlin

Peggy Parnass: einfach vergessen?

„Vor Gericht läuft ein Theaterstück“, taz vom 22./23. 6. 19

Gisela Friedrich wird in dem Interview als die feministische Gerichtsreporterin gefeiert. Ihre Bedeutung soll nicht geschmälert werden, aber … haben Sie nie den Namen Peggy Parnass, auch eine Gerichtsreporterin, gehört? Sie schrieb bereits in den 1960ern Gerichtsreportagen in der konkret. Allein ihr Buch „Prozesse“ berichtet über die Zeit von 1970 bis 1978. Aber der Großautor Mauz vom Spiegel erwähnte sie offensichtlich nicht. Weil sie Jüdin, Emigrantin, Linke ist?

Jürgen Fiege, Bremen

Weißer Opa zieht den Hut: Respekt!

„Grüne Zukunft: Aminata Touré ist auf dem Weg zur ­Spitzenpolitikerin“, taz vom 1. 7. 19

Wenn schon 30-Jährige sich so weise zu Kompromissen und Übeln äußern, bleibt einem alten weißen Mann und leibhaftigem Opa ja nichts anderes übrig, als den Hut zu ziehen und sich etwas entspannter mit seinem Enkel aufs Fahrrad zu schwingen. Respekt!

Markus Hillmer-Kaps, Seelze

Sollten alle Bordelle zumachen?

„Sexarbeit nur noch im Wald“, taz vom 24. 6. 19

Jetzt also regt sich Widerstand auch bei den wackeren Grünen gegen das nordische Modell des Sexkaufverbots – die besorgte Frau Schauws entdeckt ihr Herz für die kaum 18-jährigen Frauen aus dem Armenhaus Europas und Afrikas. Dann müssten ja alle Bordelle zumachen, sorgt sich die Historikerin Dolinsek. Man ist überrascht. Denn genau das ist ja ein Ziel des Sexkaufverbots: keine Prostitution – nirgends. Die Schweden sind da auf einem guten Weg, Franzosen folgen, und nur Deutschland mauert mal wieder. Stattdessen faselt man hierzulande von der „Sexarbeiterin“, um die man(n) sich sorgt. Dabei ist der Begriff „Sexarbeiterin“ nichts weiter als ein Kampfbegriff der Bordellbetreiber. Sex ist ja wohl die ­lustvolle gegenseitige Stimulation – gegenseitig eben. Und kein Jobcenter wird es jemals wagen, den tollen „Job im Bordell“ anzubieten, egal wie sehr man das auch als angebliche Arbeit verbrämt. Profit kann nicht alles entschuldigen. Und es ist auch nur eine kleine Gruppe von Männern, die sich Sex kauft. Die brauchen keine Huren, sondern eher eine Psychotherapie. Am Sexkaufverbot führt auch in Deutschland kein Sonderweg vorbei. Uwe Barkow, Frankfurt am Main