die woche in berlin
: die woche in berlin

Berlin soll nun endlich eine offizielle Drogen-Check-Stelle erhalten. Die Gewerbemieten explodieren – jetzt reagiert die Politik. Und nun ist es amtlich: Das Humboldt Forum wird ab September 2020 nur häppchenweise eröffnet. Teurer wird es auch

Das ist mehr als überfällig

Offizielle Drogen-Check-Stelle für illegale Substanzen kommt

Treffen sich ein CDU-Politiker und sein unsichtbarer Freund in einem Club an der Bar. Die Unterhaltung geht nur schleppend voran. Denn obwohl sich der Unsichtbare alle Mühe gibt, das Gespräch am Laufen zu halten, bleibt es doch etwas unkohärent. Der Politprofi hat einfach schlechtes MDMA erwischt, wer weiß, was da untergemischt ist. Eben war er kräftig am Labern (irgendwas mit „bauen, bauen, bauen“), jetzt ist er ganz still. Milchpulver und Koffein allein werden das nicht sein, vielleicht ist die Dosierung auch einfach nur ungewohnt hoch … Schweißausbrüche, Atemnot, der Mann braucht Wasser und frische Luft. Vermeidbar wäre das gewesen, wenn das Pülverchen nur sauber deklariert gewesen wäre, jedoch: Für illegalisierte Substanzen gibt es keine Beipackzettel.

Nun lässt sich vieles gegen all die Mittelchen einwenden, letztlich aber bleibt es dabei, dass der größte Schaden, den illegale Drogen anzurichten vermögen, in ihrer Illegalität begründet ist. Nichts tun all die Pillen und Lines, was Alkohol nicht ebenso anrichten kann, außer eben Verbrecher*innen qua Besitz und Nutzung zu erzeugen. Die Willkür der Verbote liegt auf der Hand, der weitestgehend harmlose Konsum ist machtvolle Realität.

Der Plan, Drugchecking für Berliner Clubgänger*innen anzubieten, ist mehr als überfällig. Ganz sicher wird hier kein Problem so existenziell drückend wie der Mietenwahnsinn angegangen, die Botschaft ist aber ähnlich wichtig. Schließlich wird auch an dieser Stelle Politik für Menschen gemacht, die tatsächlich in dieser Stadt leben und, ja, feiern.

Das ewige Missverständnis, dass Jugendschutz nur als Verbotskatalog wirksam sein könne, wird endlich zum Schwarzweiß-Fernsehen, zur Kittelschürze und dem Wählscheibentelefon in die Mottenkiste gelegt. Informierter Umgang mit dem eigenen Körper ist schließlich die beste Waffe gegen Missbrauch und gefährlichen Kontrollverlust. So wie gepredigte Enthaltsamkeit noch keine ungewollte Schwangerschaft verhindert hat, der freie Zugang zu Verhütungsmitteln aber schon, so wichtig ist die Ermächtigung zum souveränen Umgang mit berauschenden Substanzen.

Der nächste Schritt nach dem noch immer reichlich komplizierten Drugchecking kann am Ende nur die Legalisierung sein. Ein Reinheitsgebot für Speed, EU-Normen für Dope? Gestempelt, versteuert, gekauft! So halten wir auch noch die paar Legislaturen aus, bis Rot-Rot-Grün alle Wohnhäuser der Stadt gekauft, sowie den Sozialismus eingeführt hat und chemisch induzierte Realitätsflucht mithin schlicht unnötig geworden ist. Daniél Kretschmar

Nägel mit Köpfen machen: Selbst ist der Senat

Berliner Pläne, um Gewerbe- mieter stärker zu schützen

In keiner deutschen Stadt steigen die Mieten für Gewerbe so stark wie in Berlin. Dies ergab zuletzt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen. So stiegen die Mieten für ein 150 Quadratmeter großes Geschäft in einer 1B-Lage in Berlin in den vergangenen zehn Jahren um sagenhafte 267 Prozent. Im prosperierenden Erfurt waren es 127 Prozent, in Dresden 100 Prozent. Kein Wunder, wenn nun Stimmen laut werden, auch Gewerbemieter und -mieterinnen stärker zu schützen.

In einem RBB-Interview machte Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) den Anfang. Sie plädierte dafür, auch beim Gewerbe – analog zum Wohnen – einen Mietendeckel einzuführen. Allerdings seien dem Bezirk dabei die Hände gebunden, denn Gewerbemieten seien Bundesrecht.

Kurze Zeit später meldete sich auch die grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop zu Wort. Nächste Woche will sie auf der Wirtschaftsministerkonferenz eine Vorlage für einen Gewerbemietspiegel vorlegen. Außerdem will Pop auch eine Ausweitung des Milieuschutzes für Gewerbe.

So richtig diese Forderungen sind, so kurz gesprungen könnten sie dennoch sein. Bis im vergangenen Jahr startete Berlin eine Bundesratsinitiative nach der anderen, um die Mietengesetzgebung für Ballungsräume zu verbessern. Die meisten dieser Initiativen waren erfolglos. Bis ein Mitarbeiter des Bezirksamts Pankow die These aufstellte, dass mit der zweiten Föderalismusreform die Länder die Gesetzgebungskompetenz für Mieten zurückbekommen hätten. Das Ergebnis ist das Eckpunktepapier für einen Mietendeckel, den der rot-rot-grüne Senat gerade beschlossen hat.

Auch in Sachen Gewerbe hat der Senat bereits eine Bundesratsinitiative gestartet – bislang ohne Ergebnis. Warum also nicht auch hier einen Schritt weitergehen und selbst Nägel mit Köpfen zu machen. Warum nicht die Milieuschutzgebiete um das Thema Gewerbe ergänzen und jede Mieterhöhung genehmigungspflichtig machen?

Alleine ein Eckpunktepapier hat die Deutsche Wohnen dazu bewogen, selbst den Vorschlag eines Mietendeckels in die Debatte zu werfen. Warum sollte zum Beispiel nicht auch Aroundtown, Berlins größter Gewerbevermieter (und Sponsor des FC Union) diesem Beispiel folgen, wenn der Senat einen Gewerbedeckel auf den Weg bringt. Und gleichzeitig eine Volksinitiative fordert: Aroundtown und Co. enteignen. Uwe Rada

So stiegen die Mieten für ein 150 Quadratmeter großes Geschäft in einer 1B-Lage in den vergangenen zehn Jahren um sagenhafte 267 Prozent

Uwe Rada über die galoppierenden Gewerbemieten in der Hauptstadt

Preußens
Glanz und
Schlendrian

Das Humboldt Forum wird später fertig und kostet mehr. So what?

Schon vor zwei Wochen gaben die Macher des Humboldt Forums im Berliner Stadtschloss – von Europas größter Kulturbaustelle und größtem Renommierobjekt des Bundes – bekannt, dass es nicht wie geplant Ende dieses Jahres, sondern erst im Laufe des Jahres 2020 eröffnen wird. Am Mittwoch dann die Neuigkeit, wann, in welcher Form und mit wie viel Mehrkosten es genau losgehen wird: Im September 2020 sollen sich die Türen zum Untergeschoss, Erdgeschoss und erstem Obergeschoss öffnen, wo sich unter anderem auch die Berlin-Ausstellung befindet. Zum Jahreswechsel 2020 folgt die sogenannte Westspange des zweiten und dritten Obergeschosses, Mitte 2021 schließlich die letzte Teileröffnung, die sogenannte Ostspange. In diesen Geschossen werden das Ethnologische Museum und das Asiatische Museum ihre Ausstellungen präsentieren.

Insider hatten im Vorfeld spekuliert, dass das Schloss, das bislang eine halbe Milliarde gekostet hat, 20 Millionen teurer werden könnte. Vor Ort war am Mittwoch allerdings nur von „sozusagen kleineren Millionenbeträgen“ die Rede. Es war also erwartbar, dass die Nachfragen der anwesenden JournalistInnen auf der Baustelle entsprechend bissig ausfielen, die darauf folgende Berichterstattung mit dazu passender Häme. 20 Millionen teurer, 10 Monate später! Ein Skandal!

Das Humboldt Forum war in dieser Stadt schon umstritten, bevor es überhaupt 2012 begonnen wurde zu bauen. Nur ein Teil der BerlinerInnen war davon begeistert, dass im Herzen der Stadt der Palast der Republik, abgerissen und statt dessen eine preußo­phile Schlossattrappe aufgestellt wurde. Noch dazu anfangs ohne jegliche Idee, wie man diese mit Inhalten füllen könnte. Viele deuteten das als ein letztes Aufbäumen des Kalten Kriegs in Berlin, denn hier wurden Erinnerungen an die DDR platt gemacht, um an ein Stück deutsche Geschichte zu erinnern, mit dem sich in diesem Land nicht unbedingt sehr viele identifizieren.

Man muss allerdings nicht tief im Gedächtnis wühlen, um sich an andere Kulturbaustellen in diesem Land zu erinnern. Und um festzustellen, dass 20 Millionen Euro und 10 Monate eigentlich kein Skandal, sondern eher eine Kleinigkeit sind. Beispiel Elbphilharmonie in Hamburg: sechs Jahre länger und 866 Millionen statt der geplanten 77. Oder die Staatsoper Unter den Linden: vier Jahre länger und 440 Millionen statt der geplanten 200.

Menschen, die auf solchen Baustellen gearbeitet haben, sagen, dass das Vorgehen System hat: Man sagt den Wählern zu Beginn umstrittener Großbauten besser nicht ganz so genau, was sie am Ende realistisch kosten werden und wie lang es wirklich dauern wird. Denn das würde sich alles andere als gut verkaufen.

Außerdem kann ein Land oder ein Staat nun mal nicht einfach so pleitegehen. Man muss nur einfach etwas tiefer in die Schatzkiste mit den Steuergeldern greifen. Was sind vor diesem Hintergrund schon 10 Monate und 20 Millionen Euro?

Susanne Messmer