Der Tod kam farblos

Säuglingstod im Uni-Klinikum Eppendorf: Nicht nur menschliches Versagen? Sicherheitsvorkehrungen hätten tödliche Infusionsverwechslung verhindern können. Klinik verteidigt Nichtverwendung farblich markierter Kaliumchloridlösungen

von Marco Carini

Der Tod eines fünf Monate alten Säuglings in der Uni-Klinik Eppendorf (UKE) ist nicht nur auf menschliches Versagen zurückzuführen. Eine inzwischen suspendierte Krankenschwester hatte vorige Woche zwei Infusionen vertauscht: Statt einer Glucoselösung verabreichte sie dem herzkranken Baby konzentriertes Kaliumchlorid (KCL), was zum Herzstillstand führte.

Jetzt kommt heraus: Der Junge könnte noch leben, wenn in dem Krankenhaus eine gängige Sicherheitsvorkehrung gegen solche Verwechslungen Praxis wäre. Um jeden Verabreichungsirrtum auszuschließen, wird Kaliumchloridlösung, die bei fehlerhaftem Einsatz zu tödlichen Komplikationen führen kann, von der Pharmaindustrie auch blau eingefärbt angeboten.

Doch das UKE bevorzugt die farblose Version – anders als die meisten anderen Hamburger Krankenhäuser: „Wir verwenden seit Januar 2000 zur Sicherheit in allen Kliniken ausschließlich eingefärbte KCL-Lösungen“, sagt etwa der Sprecher des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), Jens Bonnet. Sollte doch farblose Lösung geliefert werden, muss sie vor Gebrauch eingefärbt werden.

Diese farbliche Kennzeichnung sei „sicherer als jeder Versuch, mit unterscheidbaren Etiketten zu arbeiten“. Denn die Verfärbung schließe auch aus, dass die Lösungen vertauscht würden, wenn sie schon auf Spritzen gezogen worden sind.

Bei der tödlichen Verwechslung hatte die Krankenschwester, so die UKE-Leitung, vorschriftsmäßig etwas KCL einer Glucoseinfusion beigemischt, dann aber die falsche der beiden Ampullen intravenös verabreicht. Ein Fehler, der mit einer eingefärbten Flüssigkeit so kaum hätte passieren können. Doch darauf verzichtet die Eppendorfer Klinikleitung, obwohl ihr die Gefahr bewusst ist. „250 Todesfälle durch die Verwechslung von Kalium und Glucose sind in den letzten fünf Jahren weltweit dokumentiert“, weiß UKE-Direktor Jörg Dobatin. Die Dunkelziffer liege vermutlich gar bei rund 2.500 Fällen.

Da die Etiketten der in Eppendorf vertauschten Glucose- und KCL-Lösungen zudem große Ähnlichkeiten aufweisen, verwundert es umso mehr, dass an der Uni-Klinik bislang keine eingefärbte Lösung verwendet wird. Dass eine solche den Tod des Säuglings vermutlich verhindert hätte, räumt auch Michael Baehr ein, der Leiter der UKE-Krankenhausapotheke.

Doch auch die Einfärbung habe Nachteile, sagt Baehr, so dass man bewusst auf die kolorierten Präparate verzichte. „Ein einziger Hersteller bietet KCL-Lösungen nur einer ganz bestimmten Konzentration blau eingefärbt an, wobei die farbliche Trübung verschwindet, wenn das Präparat anderen Infusionen beigemischt wird“, weiß der Apothekenleiter.

Baehr weiter: „Wenn das Klinikpersonal sich dann darauf verlässt, bei einer fehlerhaften Verabreichung von KCL durch die Signalfarbe gewarnt zu werden, haben wir ein neues Sicherheitsproblem.“ Eine Studie belege zudem, dass keine der bekannten Maßnahmen – einschließlich der Einfärbung – Verwechslungen und Todesfälle besser verhindere als eine andere.

So wird das UKE als Konsequenz aus dem Todesfall auch weiterhin nicht auf farbige Infusionen setzen. Stattdessen sollen KCL-Lösungen nur noch in kleinen Ampullen und in verdünnter Form verwendet werden.

Bleibt bei 250 dokumentierten Todesfällen infolge falscher KCL-Verabreichungen die Frage: Warum musste dafür erst ein fünf Monate altes Kind sterben?