Stinker müssen draußen bleiben

Ab 2008 werden Diesel-Fahrzeuge ohne Katalysator aus der Innenstadt verbannt. 1,4 Millionen saubere Autos brauchen dann eine Plakette, die 100.000 Stinker nicht

Fast hatte das schlechte Sommerwetter die Debatte um die Feinstaub-Konzentration in der Berliner Luft vergessen lassen. Immerhin hat die regnerische Witterung dazu geführt, dass seit Mai auf den stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen keine überschrittenen Grenzwerte mehr gemessen worden sind. Doch das Problem bleibt. Der gestern vom Senat verabschiedete Luftreinhalte- und Aktionsplan soll es in zwei Schritten richten.

Ab Januar 2008 müssen Dieselfahrzeuge, die innerhalb des S-Bahn-Rings fahren wollen, die Abgasnorm Euro II einhalten. Sprich: Sie brauchen einen geregelten Katalysator. Laut Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) bedeutet das, dass 70.000 der rund 1,5 Millionen Fahrzeuge in Berlin nicht mehr in der Innenstadt fahren dürfen. Zwei Jahre darauf greift die zweite Stufe: Mindeststandard für Dieselfahrzeuge sind ab 2010 die Euro-III-Norm und ein Rußfilter. Diesmal werden rund 30.000 Stinker davon betroffen sein. Auch benzinbetriebene Fahrzeuge müssen dann die Euro-II-Norm erfüllen.

Junge-Reyer will damit erreichen, dass 10.000 AnwohnerInnen von Hauptverkehrsstraßen nicht mehr Grenzwertüberschreitungen ausgesetzt sind. Insgesamt leben rund 200.000 BerlinerInnen an stark befahrenen Trassen.

Was so einfach klingt, wird bis zur Einführung noch viel Staub aufwirbeln. Bislang plant die Stadtentwicklungsverwaltung nämlich, eine kostenpflichtige Plakette einzuführen. Wohl gemerkt: Das Schildchen soll nicht die rund 100.000 Diesel-Stinker kennzeichnen, sondern die 1,4 Millionen Fahrzeuge, die die Abgasnormen erfüllen. Einmalig 10 Euro pro Wagen und Plakette sind im Gespräch. Bundesumweltminister Jürgen Trittin plädiert sogar für vier verschiedene Aufkleber. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) fordert stattdessen eine einzige Plakette – für die schadstoffreichen Fahrzeuge.

Junge-Reyer will das Krankheiten erregende Gemisch aus Dieselruß, Verbrennungsstaub, Schadgasen und Blütenpollen auch anders bekämpfen: So soll der Kfz-Verkehr in der Stadt langsamer wachsen und das Parkraummanagement ausgebaut werden.

Den Grünen gehen die Senatspläne nicht weit genug. Ihre umweltpolitische Sprecherin im Abgeordnetenhaus, Felicitas Kubala, fordert deren Umsetzung schon im Jahr 2007. „Auf allen Hauptverkehrsstraßen soll Tempo 30 gelten, um die Staubbelastung und den Lärm zu senken.“ Ampelvorrangschaltungen für Busse und Bahnen müssten den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr noch attraktiver machen. Die FDP hingegen sieht im Senatsprogramm ein „Dokument der Planungsgläubigkeit“, das zu einem „wirtschaftlichen Desaster“ führen werde.MATTHIAS LOHRE