Gipfel der Gleichgesinnten

Beim Fußball-Länderspiel der Niederlande gegen Deutschland treffen in Jürgen Klinsmann und Marco van Basten zwei Nationaltrainer aufeinander, die recht ähnliche Konzepte verfolgen

„Wir sollen Schweinsteigerund Podolski ein bisschen schützen“

VON MARKUS VÖLKER

Rotterdam sollte Jürgen Klinsmann gefallen. Hier schoss er vor neun Jahren ein Tor. Die deutsche Nationalelf gewann dadurch gegen die Niederlande. Seitdem hat sie nicht mehr gewonnen gegen die Männer in Orange. In Rotterdam trifft Klinsmann außerdem auf sein Alter Ego, Marco van Basten. Der trainiert die holländische Nationalmannschaft, und ihm wird nachgesagt, ein Doppelgänger des Deutschen zu sein.

Van Basten ist jung, war früher ein guter Angreifer mit diversen Auslandseinsätzen, er krempelte in seinem neuem Arbeitsumfeld einiges um, und er hat eine gute Presse. Was vor allem daran liegt, dass ihn der königlich-holländische Fußballbeauftragte Johan Cruyff ins Amt befohlen hat und seine Taten lobt. Das ist wichtig zwischen Utrecht und Amsterdam, viel wichtiger noch als hierzulande der wohlwollende Zuspruch eines Franz Beckenbauer.

Der eine mag sich im anderen spiegeln, doch Nachsicht üben sie keine, Klinsmann ebenso wenig wie van Basten. Jeder will mit seinem neuen Projekt erfolgreich sein, also am Mittwoch (ARD, 20.30 Uhr) im Stadion De Kuip reüssieren. Für van Basten ist das eine Selbstverständlichkeit – nach den Erfolgen der letzten Zeit. Die Elftal hat die vergangenen elf Spiele nicht verloren, die letzten fünf für sich entschieden. Klinsmann hingegen wartet wie seine Vorgänger auf einen Erfolg der DFB-Mannschaft gegen die Großen des Fußballs. Holland ist groß. Endet die Serie trotzdem? Klinsmann, um klare Aussagen nicht verlegen, sagt: „Wir fahren mit dem Selbstbewusstsein nach Holland, um zu gewinnen.“

Das ist ein ambitioniertes Vorhaben, zumal Klinsmann meint, dass dieses Länderspiel zu früh komme für seine Eleven – nach den Anstrengungen des Confederations Cups, die immer noch nachwirken. Vor allem die Jüngsten der Jungen hat er deswegen nicht eingeladen, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski. Klinsmann im kicker: „Lukas hat großen Rückstand und noch nicht die Form. Schweinsteiger war verletzt. Außerdem stürzt auf beide sehr viel ein, sodass wir sie ein bisschen schützen sollen.“ Sie werden freilich wieder zurückkehren in den Kader. Von einer Abkehr vom „Jugendstil“ ist keine Rede, auch wenn Christian Wörns (33) und Dietmar Hamann (31) diesmal im Kader stehen, zwei Protagonisten der Generation Rumpelfuß. Aber Klinsmann ist brutalstmöglicher Pragmatiker. Wenn ihm ein Kicker nützt, bindet er ihn ein. Außerdem hat die Reaktivierung der Alten auch ihr Gutes. Das Konkurrenzprinzip wird dadurch fortgeführt. Es ist Klinsmann im Grunde egal, ob Alt gegen Jung kämpft oder Jung gegen Jung, wer sein Konzept umsetzt, ist drin im Team. Das heißt: Spieler, die bedingungslosen Einsatz zeigen, im Verein und in der Nationalelf. „Sie müssen sich selbst kitzeln“, formuliert es Klinsmann. Jeder muss um einen Stammplatz im Verein kämpfen, aber damit nicht genug. „Sie müssen im Klub dominieren. Sie müssen den ausländischen Konkurrenten verdrängen.“ Der radikalliberale Ansatz ist Klinsmann alles. Er will den mündigen Kicker, der so ist wie er: Ein Streber, der sich mit dem Istzustand nicht zufrieden gibt, ein Typ, der an sich arbeitet, Fußball als Reifung der Persönlichkeit begreift. So fordert der Kalifornoschwabe auch von Michael Ballack, dem beste Ballführung beim Confed-Cup attestiert wurde, eine Steigerung. Luft nach oben ist immer, so die Maxime Klinsmanns. So sorgt er für solide Verunsicherung. Auch bei den Torstehern, für die der Bundestrainer in der letzten Woche eine merkwürdige Lösung präsentiert hat, oder besser: ein Konstrukt. Nicht die zwei besten Keeper werden jeweils im Kader stehen, sondern nur einer: Oliver Kahn oder Jens Lehmann. In Rotterdam steht Kahn zwischen den Pfosten, der sich zähneknirschend der Entscheidung gefügt hat. Ständige Nummer zwei im Wechselspiel der Stammkräfte ist Timo Hildebrand.

Wer weiß, vielleicht kann sich der Ballfänger des VfB Stuttgart durch diese Regelung an Lehmann vorbeischieben, denn Kahn ist derzeit sakrosankt oder wie Klinsmann sagt: Wenn jetzt WM wäre, würde Kahn im Tor stehen. Und Klinsmann weiter: „Das Argument, wegen der Rotation könne sich die Abwehr nicht einspielen, zählt nicht. Erstens spielt sie sich erst in den Wochen vor der WM ein, zum anderen herrscht dort auch ein großer Konkurrenzkampf. Ich frage mich also: Welche Abwehr?“ Gegen Holland dürften der deutschen Defensive ganz andere Herausforderungen bevorstehen.