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Nils Schuhmacher Hamburger SoundtrackVerfall und Kritik

Es gibt Künstler, bei denen sagt man: „Schön, dass sie wieder da sind“. Zum Beispiel die Hot Snakes (10. 6., Molotow). Die genauso melodiensatte wie ruppig vorwärtstreibende Post-Hardcore-Band aus San Diego brachte 2018 nach 12 Jahren Pause ein neues Album raus. Und alle, die schon die ersten drei LPs mochten und denen die Zukunft von Punk am Herzen liegt, finden auch die neuen Sachen „gut“.

Und es gibt solche Künstler, bei denen sagt man: „Wichtig, dass sie wieder da sind“. Etwa die australischen Midnight Oil (17. 6., Stadtpark). Die Band löste sich 2002 nach 26 Jahren auf und Sänger Peter Garrett engagierte sich zwischenzeitlich als Minister, zuerst für Umwelt, Kulturerbe und Kunst, dann für schulische Bildung, Kinder und Jugend. 2017 ist man wieder gemeinsam auf der Bildfläche aufgetaucht und alle, die schon gestern gegen den Klimawandel und für die Rechte gesellschaftlicher Minderheiten waren (und mal wieder „Beds are burning“ hören wollen), können sich über die neue Unterstützung freuen.

Während die Eltern- und Großelterngeneration damit also versorgt sind, stellt sich natürlich die Frage, was ihre Kinder und Enkel von der „Fridays for Future“-Bewegung machen. Denn in ihrem Repertoire kommt dem Wort „wieder“ ja keine sonderliche Bedeutung zu. Politisch sind sie schließlich mit den Selbstverständlichkeiten von Verfall und Kritik aufgewachsen. Und kulturell spielen zugleich wohl eher Entdeckungen eigener Bildungsformate als Wiederentdeckungen eine Rolle.

Vielleicht interessieren sie sich deshalb mehr für Pixx (17. 6., Uebel & Gefaehrlich). Die aus England stammende Sängerin (Jahrgang 1995) macht ätherisch-klaustrophoben Dreampop, der die eine und andere beklemmende Einsicht zum Zustand der eigenen Generation enthält und in diesem spannungsvollen Zuschnitt ziemlich gut in das aktuelle Politisierungsgeschehen passt.

Oder für Lukas Uecker (20. 6., Schanzenzelt). Der Gitarrist der eigentümlich aus Pfadfinderromantik, Slackertum, Alkohol und Folk zusammengebauten Hamburger Gruppe Liedfett bringt just in diesem Augenblick sein erstes Solo-Album heraus. Und was soll man sagen? Im Gegensatz zu den vielen Singer/Songwritern, die hier und da als Referenz genannt werden, kann man sich ihn irgendwie ganz gut vorstellen in so einer „Fridays for Future“-Sitzblockade in der Mönckebergstraße.

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