NICHTS ALS ABRISS IN DER BIRNE

VON RALF SOTSCHECK

Die westirische Stadt Limerick ist für die nach ihr benannte Gedichtform bekannt. Außerdem hat Frank McCourt der Stadt mit seinem Buch „Die Asche meiner Mutter“ ein Denkmal gesetzt, wenn auch ein wenig schmeichelhaftes, denn er hat Limerick als klerikalistisches Kaff dargestellt, wo es ständig regnet. Im Rest des Landes ist Limerick hingegen als „Stab City“ verschrien – als „Stadt der Messerstecher“. Die wahren Kriminellen sitzen aber offenbar in den Behörden.

John und Shirley O’Reilly kamen vor zwei Wochen aus dem Urlaub zurück und freuten sich auf einen entspannten Abend in ihrem neuen Haus in Limerick. Zu ihrer Überraschung fanden sie lediglich eine Wiese vor. Das Haus war weg, mitsamt Möbeln und persönlichen Gegenständen. Der Polizist, dem sie den Diebstahl ihres Eigenheims meldeten, tippte auf eine größere Verbrecherbande, denn so ein Haus sei ja nicht so leicht wegzuschaffen. Nachforschungen ergaben jedoch, dass die Stadtverwaltung das Haus abreißen ließ, weil die O’Reillys angeblich gegen die Bauauflagen verstoßen hatten. Man habe sie mehrmals gewarnt und den Abriss schriftlich angekündigt. Der Beamte wunderte sich allerdings, dass sie sich jetzt O’Reilly nannten. Die Briefe seien an Familie Murphy geschickt worden. Die Abrissfirma hatte sich in der Adresse geirrt und das falsche Haus dem Erdboden gleichgemacht. Haha, kleiner Zahlendreher, meinte der Beamte, kann ja mal passieren. Das fand John O’Reilly nicht. Er ist Jurist. Die Stadtverwaltung kann schon mal ihr Sparschwein schlachten.

Daran ist sie freilich gewöhnt. Fast auf den Tag genau drei Jahre zuvor hat die Straßenbaubehörde bei Limerick vier kleine Landhäuser abreißen lassen, weil eine Autobahn gebaut werden sollte. Die Eigentümer waren zwangsenteignet worden – jedenfalls drei von ihnen. Die vierte, Mary O’Shaughnessy, war ebenso verblüfft wie die O’Reillys, als sie nach Hause kam und eine Geröllhalde vorfand. Sie hatte kurz zuvor mit der Renovierung des hundert Jahre alten Cottages begonnen, denn es stand der Autobahn ja nicht im Weg. Bei der Abrissfirma war man offenbar nicht in der Lage, bis drei zu zählen.

Bei Shawn French, ebenfalls aus Limerick, war immerhin das Haus noch da, als er von einem Familienbesuch heimkehrte. Aber viele Wertgegenstände waren futsch, berichtete eine Lokalzeitung. Diebe waren auf einen Schneehaufen geklettert und durch ein Fenster im Obergeschoss eingestiegen. Ein Schneehaufen? In Limerick regnet es doch nur. Ach so. Es handelte sich um die Kleinstadt Limerick im US-Bundesstaat Maine.

French drehte einen Spielfilm über seinen Fall, weil er sonst vor Wut geplatzt wäre. In „Das falsche Haus“ geht es um einen Einbrecher, der Marihuana und Magic Mushrooms klaut. Als er sich weigert, das Zeug zurückzugeben, begibt sich der Eigentümer auf einen Rachefeldzug, wie French es auch gern getan hätte. Er sollte schleunigst untertauchen, bevor die US-Drogenfahnder bei ihm eine Razzia machen. Er könnte sich ins irische Limerick absetzen und dort „Das falsche Haus, Teil 2 und 3“ drehen.