ZÄHNE ZEIGEN
: Herzensort Friedenau

Wir setzen uns vor die Bahnhofskneipe

Mein Freund F. wohnt in Friedenau. Ich war vor fünf Jahren des Öfteren hier, weil die göttinnengleiche Zahnärztin meines Vertrauens einiges mit mir zu tun hatte. Ich lief durch das Viertel, zerrüttet von Angst und Zuversicht.

Als dann alles, wie man bei Zähnen sagt, gerichtet war, gehörte Friedenau zu den Orten meines Herzens, ein Bewältigungsort.

F. zog mit Frau und Kind von Neukölln hierher, weil sie es leid waren, nachts von Disputen aller Art aus dem Schlaf zu schrecken und morgens auf Patronenhülsen, die für ein dreijähriges Kind nicht mehr vermittelbar waren, zu treten. Wir treffen uns am S-Bahnhof Feuerbachstraße. In den ausgehenden 80ern habe ich wohl zusammengerechnet mehrere Tage an dieser Stelle gestanden und auf den 2er, der jetzt ein 182er ist, gewartet. Wir setzen uns draußen vor die Bahnhofskneipe und beobachten die Wolken, die wie Rembrandts gesammelte Frauen aussehen.

Das Gewitter, sagt F., er habe das im Internet nachgeschaut, würde nur im Norden stattfinden. Ich bin enttäuscht. Ich mag Gewitter, ich mag diese Entladung. Ich las am Nachmittag, ebenfalls im Netz, dass irgendwo ein Motorradfahrer von einem Blitz getroffen wurde, die Kontrolle verlor, auf die Gegenrichtung geriet und von einem Auto weggebombt wurde. So was will ich nicht wissen, sagt F., und nickt Richtung Straße. Ein Pulk Mädchen mit offenen Weinflaschen stiefelt in den Bahnhof, setzt sich in die Bahn und wird nach Mitte abgeschossen.

Dann kommt ein Typ, nur die unteren beiden Knöpfe seines fliederfarbenen Hemdes halten das Hemd zusammen, eine Sonnenbrille, groß wie beide Hirnlappen, grinst in unsere Richtung, der zeigt uns schlichtweg die Zähne, die so makellos, die so unglaublich schön sind, will der was oder was? Und dann beginnt es in den Weißwein von F. zu nieseln. BJÖRN KUHLIGK