Landes-CDU fehlt Kompetenz

Nur ein CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen hat es in Merkels „Kompetenzteam“ geschafft: Selbst Kulturfachmann Norbert Lammert aus Bochum will angeblich lieber Parlamentspräsident werden

VON MARTIN TEIGELER

18 Millionen Einwohner hat das Bundesland Nordrhein-Westfalen, aber ins neunköpfige „Kompetenzteam“ von Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel hat es nur ein NRW-Bürger geschafft. Norbert Lammert, Bundestagsvizepräsident und Chef der Ruhrgebiets-CDU, ist für den „Bereich Kultur“ zuständig, verkündete Merkel gestern in Berlin. Lammert, der auf Platz 1 der CDU-Landesliste für die geplante Bundestagswahl am 18. September kandidiert, sei „ein wichtiger Brückenbauer zu Künstlern und Intellektuellen“. Doch nach taz-Informationen ist keineswegs ausgemacht, dass der 56-jährige Bochumer tatsächlich Kulturminister im Falle eines CDU/CSU-Wahlsiegs wird. „Lammert will Bundestagspräsident werden“, heißt es aus der Ruhrgebiets-CDU. Lammerts Berliner Büro wollte dies gestern nicht kommentieren.

Mit Lammert also nur ein NRWler in Merkels Team – die politische Kompetenz scheint bei der Union in anderen Bundesländern üppiger zu sein. Aus dem CSU-regierten Bayern kommen gleich zwei Schattenminister (Gerda Hasselfeldt für Umwelt, Günter Beckstein für Inneres). Auch Baden-Württemberg ist doppelt vertreten: Wolfgang Schäuble wird Außen- und Sicherheitsexperte, Annette Schavan soll für Bildungspolitik zuständig sein. NRW entsendet wie das Saarland (Peter Müller, Wirtschaft), Thüringen (Dieter Althaus, Ost) und Niedersachsen (Ursula von der Leyen, Familie) nur einen Vertreter. Hinzu kommt der parteilose Heidelberger Steuerexperte Paul Kirchhof. Auch unter dem letzten Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber war 2002 lediglich ein NRW-Politiker ins „Kompetenzteam“ berufen worden: Friedrich Merz aus Brilon. Doch der Finanzpolitiker hatte sich vor einem Jahr aus der CDU/CSU-Führung zurück gezogen – und erlebt trotz Medienspekulationen kein großes Comeback.

In der amtierenden rot-grünen Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) kommen immerhin zwei Ressortchefs aus Nordrhein-Westfalen: Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (früher Bochum, heute Bonn) und Sozialministerin Ulla Schmidt (Aachen). Auch in den früheren Regierungen unter CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl war NRW meist gut repräsentiert (siehe Kasten).

Von einer mangelhaften Vertretung des größten Bundeslandes will die Landes-CDU indes nichts wissen. „Mit unserem NRW-Spitzenkandidaten Norbert Lammert ist die CDU-NRW hervorragend in diesem Kompetenzteam repräsentiert“, so CDU-Generalsekretär Hans-Joachim Reck. Zudem verwies der Parteimanager auf die Äußerung von Kanzlerkandidatin Merkel, weiteren NRW-Repräsentanten wie Ronald Pofalla oder Norbert Röttgen würden nach einem Wahlsieg mit Regierungsübernahme „wichtige“ Rollen übertragen. Hinter vorgehaltener Hand machen Christdemokraten den Wahlsieg vom 22. Mai für den geringen NRW-Anteil in Merkels Truppe verantwortlich. „Unsere Leute haben jetzt halt Posten in Düsseldorf“, heißt es. So wäre NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann ein sicherer Kandidat für das Schattenkabinett gewesen. „Aber der kann doch nicht nach ein paar Wochen wieder nach Berlin wechseln“.

Die neue rot-grüne Opposition im Düsseldorfer Landtag hat dagegen nur Häme für Merkels Schattenkabinett mit einem NRW-Christdemokraten übrig. „Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die bundespolitische Bedeutung der CDU im größten Bundesland“, sagte NRW-SPD-Chef Jochen Dieckmann. Die CDU-NRW würde in Berlin nicht gehört. Die grüne Spitzenkandidatin und Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn sagte zum Schattenkabinett Merkels: „Der größte Schatten bleibt Stoiber.“