berliner szenen
: Ramadan, zu Fuß sind’s 100 Meter

Ankunft in Schönefeld, und das Bein will nicht mehr. Die Helfer des „Disabled“-Dienstes sorgen für den Rollstuhl, lotsen mich durch Kontrollen bis zum Taxi-Stand. Der Teint dieser freundlichen Herren ist dunkel, die Gesichter bärtig, sodass der Reisende aus nahöstlicher Sprachverwirrung darauf verfällt, sie auf Englisch anzusprechen.

Taxi nach Neukölln, Stau auf der Karl-Marx, und der schon wieder bärtige Chauffeur schleicht durch Alt-Neukölln. Sonnenallee und Kottbusser Damm runter. Und dann, es ist Markttag am Maybachufer, kommen wir da rein? Der Fahrer sieht „Anlieger frei“, biegt ein, da erscheinen zwei Markthelfer. Scheibe runter. Keine Chance, sagen die bärtigen Männer. Der Chauffeur argumentiert mit „Anlieger frei“. Die Herren lassen sich nicht erweichen. Der Fahrer verweist auf „kranken Fahrgast, kann nicht laufen“, die Männer bleiben ungerührt. Der Taxler fleht: „Bruder, es ist Ramadan, da muss man alten Menschen helfen“, die Marktherrscher verweisen auf „Anweisung vom Chef“. Der Fahrer versucht es erneut mit den Geboten des Islam, erntet Wiederworte, bittet, regt sich auf, fällt ins Arabische (ich verstehe nur noch Ramadan), die Antwort erfolgt auch auf Arabisch, mein Mann – ich empfinde ihn als Engel, die gibt’s auch im Islam – regt sich noch mehr auf. Das Taxi blockiert den Weg, die Sonne knallt, die Gemüsehändler rufen, Fahrer und Marktleute schreien sich an. 100 Meter bis zur Wohnung, aber das ist, ach, so furchtbar weit. Der Fahrer gibt auf. Ich stemme mich mit der Krücke aus dem Taxi, schaffe es bis zum Café, der Mann stapelt das Gepäck auf, bekommt sein Geld. Danke! Ich bestelle Wasser mit Sprudel, weil es das dort, wo ich gerade herkomme, nur selten gibt. Schön, wieder hier zu sein. Nach Hause schaffe ich es später auch.

Klaus Hillenbrand