LESERINNENBRIEFE
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Keine demokratische Kontrolle

■ betr.: „Eine Frage des Risikos“, taz vom 11. 9. 12

Es ist schon interessant, dass außer dem Satz am Anfang des Artikels: „Steht in Deutschland die Demokratie auf dem Spiel“, kaum weiter auf diese von Christian Rath gestellte Frage eingegangen wird, sondern fast ausschließlich die Angst vor dem GAU, der Haftungsübernahme polemisiert wird. Die Frage, die mich dabei beschäftigt, ist die, ob der Verfasser dieses Artikels und unter Umständen auch die taz Demokratie gleichsetzt mit dem Wohlergehen der sogenannten Finanzmärkte.

Hier geht es nicht um eine mögliche Haftung; hier geht es darum, dass mit diesen Verträgen eine nicht demokratisch legitimierte Institution geschaffen werden soll, die einfach Entscheidungen treffen kann, ohne den Prozess der Entscheidungsfindung öffentlich zu machen und sich damit jeglicher demokratischer (parlamentarischer) Kontrolle entziehen kann. Noch nicht einmal das relativ machtlose Europaparlament soll hier informiert werden. Um was geht es also? Um Demokratie oder um Neokapitalismus und/oder Protektionismus? Mir, als ein Mitunterzeichner der Verfassungsbeschwerde, geht es um Demokratie – Ihnen auch? Mir geht es darum, dass die gewählten Volksvertreter diese Entscheidungen treffen (und nicht ein Herr Schäuble, der seinerzeit eine höchst eigenartige Rolle in der Parteispendenaffäre der CDU spielte). Mir geht es um ein geeintes Europa, vertreten durch eine gewählte Regierung und nicht von eingesetzten Kommissaren. Ich fühle mich von diesem Artikel persönlich verunglimpft, weil mir eine Haltung unterstellt wird, die ich nicht vertrete. ALBERT WAGNER, Bochum

Kritik- und hilflos

■ betr.: „Vernunft siegt gegen Geisterfahrer“ u. a., taz vom 7. 9. 12

Mich wundert, dass vermehrt taz-Autoren speziell der gegenwärtigen Finanzpolitik (und damit der Wirtschaftspolitik) kritik- und hilflos gegenüberstehen. So spricht Tarik Ahmia im Zusammenhang mit der Entscheidung der EZB, Staatsanleihen der Eurostaaten ohne Limit aufzukaufen, vom Sieg der Vernunft, Malte Kreutzfeld („Bank der unbegrenzten Möglichkeiten“) betont fast tröstend, dass das Eingreifen der EZB allerdings an „strenge Bedingungen“ geknüpft ist und die jeweiligen Länder sich einem „Anpassungsprogramm“ unterwerfen müssen. Gern wird in diesem Zusammenhang auch euphemistisch von „Strukturreformen“ gesprochen und gemeint ist stets dies: Zerschlagung bzw. Verhinderung sozialstaatlicher und kooperativer Gemeinwesen und vollständige Privatisierung und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche. Das ist der Kernpunkt, um den es nicht nur in der sogenannten Eurokrise geht.

In diesem Licht ist die gesamte Eurokrise substantiell keine finanzpolitische Krise, sie bildet nur eine globale und damit auch europäische Wirtschaftskrise ab, die ihrerseits eine tiefgreifende Gesellschaftskrise widerspiegelt: Die große Mehrheit der Bevölkerung sieht sich mit einer zunehmenden Ausbeutung ihrer Arbeitskraft (steigende Armut) und ihrer natürlichen Ressourcen (Umweltzerstörung), der Aberkennung ihrer politischen Rechte (zunehmende Bedeutungslosigkeit demokratischer Parlamente durch unangemessene Privilegierung von Abgeordneten, Korruption und Lobbyismus) konfrontiert. Die „finanzpolitische“ Rolle der Europäischen Zentralbank besteht darin, über die Zuteilung von Geldmitteln dieses neoliberale Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell zu festigen und auszubauen bzw. Gegenmodelle zu blockieren.

DIETER SCHÖNROCK, Hamburg

Gerettet werden nur die Banken

■ betr.: „Zoff in der Linkspartei um den Kurs in der Eurokrise“, taz vom 8. 9. 12

Also, so was Uninformatives erwarte ich überhaupt nicht von der taz. Das Mindeste wäre doch, dass erklärt wird, warum die Linkspartei bevorzugt, dass die EZB direkt Staatsanleihen kauft statt am ominösen Sekundärmarkt. Einerseits ist dieser Kauf an Austeritätsmaßnahmen gebunden, die der betroffene Staat nehmen muss. Andererseits werden die Staatsanleihen von den Banken wiedergekauft, denen die EZB erst mal Geld mit 1 Prozent Zinsen geliehen hat und die dann mit diesem Geld Staatsanleihen mit Zinsen von 6, 7 Prozent oder mehr gekauft haben. Feiner Unterschied tatsächlich: Gerettet werden dadurch nur die Banken, als ob es Lehman Brothers und Co gar nicht gegeben hätte! Verwunderlich, dass ein solches gravierendes Thema so abstrus benutzt wird, um zu zeigen wie gespalten die Partei ist ! MATHIEU JACQUOT, Saarbrücken

Gefrickelt und gestückelt

■ betr.: „SPD und CDU proben Rentenkoalition“, taz vom 10. 9. 12

Das Problem ist erkannt: Die Rente reicht bei einigen nicht zum Existenzminimum – und bei keinem zur Lebensstandardsicherung. Um die schlimmsten Folgen zu beheben, wird nun an allen Ecken gefrickelt und gestückelt. Hier ein bisschen private Vorsorge, da etwas Zuschussrente – überall mit erheblicher zusätzlicher Bürokratie, die es nicht umsonst gibt, und Gewinnmargen für die privaten Anbieter, die auch irgendwo herkommen müssen. Wäre es nicht an der Zeit, und vor allem viel preisgünstiger, das System Rentenversicherung wieder auf die Füße zu stellen? Versicherungsfremde Belastungen konsequent über Steuern zu finanzieren, wäre ein Anfang. So hat es etwas von Eimer unter die Lecks zu stellen anstatt das Dach zu flicken. Volkswirtschaftlich kann ein vernünftiges System aus einem Guss doch eigentlich nicht ungünstiger sein als dieses Herumwursteln. SILKE KARCHER, Berlin