Platonisch geiler Quatsch

Der Berg-Wanderungen dritter Teil: Pure Vernunft darf niemals siegen – zumindest nicht auf dem Schlossplatz. Der Philosophenweg durchlöchert die Luftschlösser der Planer

„Warum ein Berg?“ steht auf einem der kleinen Täfelchen, die an einem ewig langen Gitterzaun hängen. Von einer Rad fahrenden Schicksalsgöttin hatte man es nebst Kreide mit der Bitte um Formulierung einer dringenden Frage in die Hand gedrückt bekommen. Und nun hängt es da. Es ist der Philosophenweg, es soll um die kleinen und großen Fragen gehen. Antworten bekommt man keine, der Bergführer schweigt beharrlich. Man wird die Frage aber nicht wieder los. Ja, warum eigentlich ein Berg? Hier mitten im ehemaligen Palast der Republik?

Denn im Grunde ist es natürlich ein riesiger Quatsch, ausgerechnet einen Berg in diese Stahlbetonhalbruine hineinzubauen. Geiler Quatsch, aber Quatsch. Doch wenn man sich die Entwürfe anschaut, die im Foyer ausgestellt werden, all die Ideen, die man in den vergangenen Jahren für die Gestaltung des Schlossplatzes hatte, stellt man fest: Gerade diese Quatschigkeit ist das einzig Vernünftige. Ob es die Schlossbefürworter sind, die ihr normalisiertes Traumdeutschland wiederhaben wollen, das ohne Drittes Reich und DDR auskommt und einfach noch einmal bei 1910 ansetzen möchte. Ob es die Schlossgegner sind, deren Ideen oft nur die Negativfolie davon sind und die den Platz nur als ein riesiges Erinnerungsfeld behandeln. Oder ob es die Experimentalarchitekten sind, die mit irgendwelchen Objekten den urbanen Raum füllen wollen – all das ist um so vieles schlimmer als diese wunderbare Spielwiese, durch die man hier läuft. Mit Vernunft kommt man hier nicht weiter.

Dieser Berg mit seinem Philosophenweg, der einen durch das Dunkel ans Licht führt, der einen die Höhle der platonischen Ideen durchschreiten und in einen Erkenntnisbaum steigen lässt, der einen auf einem Flusser-Zitat entlangführt und zum Philosophenkaraoke einlädt, durchlöchert all diese Luftschlösser und Ideenburgen. Es staubt unter den Schuhen und tropft von der Decke: Nach all diesen Projektionen von nationaler Größe und geschichtlicher Verantwortung rückt einem dieser Gang durch den Fragenparcours den Kopf wieder zurecht.

„Wenn die Berge davonfliegen, was wird aus Berlins Spaceship?“ steht an einer weißen Holzkiste, in die man durch einen Schlitz hineinblicken kann, um wie auf kleinen Wäscheleinen aufgehängte Republikpalastdias zu sehen. Ja, was wird aus diesem Gebäude? Wird es wirklich die Kirche von der anderen Straßenseite mit in den Abgrund ziehen, wie der Gastgeber in der Sitzecke am Schluss der Bergtour andeutet? Weil die Kirche auf Eichenpflöcken stehe und sich, sobald das Gewicht des Republikpalastes verringert werde, der Grundwasserspiegel verändere, die Eichenpflöcke dann auf einmal im Trockenen stehen und deshalb zu verrotten beginnen würden?

Auf der Rückseite des Palasts bekommt man ein kleines Hörspiel gereicht, das einen um das Gebäude begleitet. Während man den Dialog zweier Engländer im Ohr hat, die sich wundern, wie hoch der Teufelsberg ist und wie viel Kriegsschutt es benötigte, ihn aufzutürmen, denkt man sich: Es gibt noch genug Ideen in der Stadt, den Palast auf zwanzig Jahre mit Leben zu füllen. TOBIAS RAPP