Nachtwey für Teetrinker

Die ARD-Schmonzette „Der Bernsteinfischer“ ( 20.15 Uhr) schraubt zusammen, was nicht zusammengehört

Touristen-Information und Kriegstrauma-Aufarbeitung: Es bedarf schon einer gewissen Unbekümmertheit, um diese beiden Themen in der TV-Unterhaltung zusammenzubringen. Bei der Degeto („Erbin mit Herz“, „Tochter meines Herzens“, etc.) verfügt man darüber.

Die restaurativen Romanzen der ARD-Tochter streifen gelegentlich die scheußlichsten Themen – und zeigen unser Land doch immer in den schönsten Farben. Heute wird auf die Ostseeinsel Hiddensee eingeladen, wo sich die Menschen noch mit Pferdedroschken fortbewegen und in Reetdachhäuschen leben. Der ehemalige Kriegsfotograf Tom Reuter (Heiner Lauterbach) hat sich in diesem Idyll unter falschem Namen niedergelassen, um das Grauen der Schlachtfelder zu vergessen. Glücklicherweise hat er geerbt, sodass er es sich leisten kann, die Steine am Strand zu knipsen. Doch wenn er abends seine Abzüge ordnet, ziehen sich die sanften Streicherschwaden des Soundtracks zu düsteren Klangwolken zusammen, und unter Landschaftsaufnahmen kommen Fotos versehrter Kinder zum Vorschein.

Ungünstig, dass sich der Aussteiger ausgerechnet in die Journalisten Karoline (Sonsee Neu) verliebt, die Freunde auf dem Eiland besucht. Ungewollt lüftet die junge Frau sein Geheimnis, sodass die Hamburger Verlagshäuser bald ihre Schmierlappen nach Hiddensee beordern …

Man ist von den Brachialschmonzetten der Degeto ja einiges gewöhnt, aber muss der Held dieses Films (Regie: Olaf Kreinsen) unbedingt gleich mit dem Völkermord in Ruanda in Verbindung gesetzt werden? Denn ausgerechnet dort soll Tom Reuter laut Drehbuch nach einem dramatischen Vorfall im Jahr 1994 schon mal untergetaucht sein. Auch weiß man nicht, ob die zweifelhafte Laudatio, die ein Chefredakteur auf den einstigen Starfotografen hält, dem kranken Journalistenhirn des Sprechers zuzuschreiben ist – oder der Formulierungsunsicherheit der Filmemacher. Da heißt es: „Tom Reuter war ein absolut Besessener, der für das Foto, das er haben wollte, wortwörtlich über Leichen ging. Und dabei doch nie reißerisch oder sensationslüstern war. Ein Genie eben.“ Klingt, als ob sie den Bambi jetzt auch an Kriegsfotografen verleihen.

Einer großen Fernsehzeitschrift hat Heiner Lauterbach, der hier eine Art James Nachtwey für Teetrinker gibt, unlängst ja in gewohnter Bescheidenheit erzählt, was hierzulande falsch liefe bei Film und Fernsehen: Man habe ein Gagenproblem. Und das äußere sich zum Beispiel darin, dass viele Produktionsfirmen glaubten, nicht seinen finanziellen Forderungen Genüge tragen zu können. Uns würden da in Anbetracht von „Der Bernsteinfischer“ noch ein paar dringlichere Probleme einfallen. CHRISTIAN BUSS