Ein trauriger Befund

Phrasen und Peinlichkeiten: Als am Dienstag in der Berliner Akademie der Künste Kulturpolitiker und Kulturlobbyisten miteinander diskutierten, konnten nur Norbert Lammert von der CDU und Hans-Joachim Otto von der FDP überzeugen

Wenige Stunden nachdem bekannt geworden war, dass der CDU-Politiker Norbert Lammert in Angela Merkels Kompetenzteam als Mann für die Kultur in den Wahlkampf zieht, saß Lammert auf einem Podium der Berliner Akademie der Künste. Das war mehr als gutes Timing. Dem verblüfften Publikum bot sich am vergangenen Dienstag die Möglichkeit, Politik in Echtzeit zu erleben. Mit Lammert, der als möglicher Bundeskulturminister einer CDU-geführten Bundesregierung gilt, diskutierten Kulturpolitiker der anderen Bundestagsparteien. Die Rolle der Kulturlobbyisten hatten der Akademiepräsident Adolf Muschg, der Theatermann Ivan Nagel und der Opernintendant Udo Zimmermann.

Der Befund ist traurig: Wer seine Wahlentscheidung vom Auftreten der Kulturpolitiker abhängig machen wollte, müsste nach diesem Abend CDU oder FDP wählen. Der Vertreter der SPD, Eckhardt Barthel, wusste offenkundig nicht, wovon er sprach, egal ob es um eine Grundgesetzänderung oder um eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ging. Das ist nicht weiter tragisch, denn in seiner Partei spielt der Hinterbänkler ohnehin keine Rolle. Das kann man von Antje Vollmer nicht sagen. Im Betroffenheits-Sound der Siebzigerjahre lobte sich die Grüne dafür, dass sie eine Quote für deutsche Popmusik im Radio gefordert hatte. Ansonsten beklagte sie die „Monokultur in den Theatern“ und forderte die Akademie der Künste auf, endlich gegen Castorf & Co. einzuschreiten. Lothar Bisky von der PDS demonstrierte Weltfremdheit im fortgeschrittenem Stadium, indem er Wirtschaftspolitik mit Kulturpolitik verwechselte. Es war Lammert und dem FDP-Politiker Hans-Joachim Otto vorbehalten, Klartext zu reden. Lammert analysierte trocken Spielräume und Notwendigkeiten der Kulturpolitik. Im Gegensatz zu Antje Vollmer verzichtete er dabei auf Anbiederungen an die Künstler. Würde die Grüne gerne ihren provinziellen Kunstgeschmack zum Maßstab machen, definierte Lammert die Aufgabe von Kulturpolitik folgendermaßen: Es geht darum, die Rahmenbedingungen der Kunstproduktion zu optimieren. Dabei war er ehrlich genug, die Vertreter der Subventionskultur nicht mit unerfüllbaren finanziellen Versprechen zu ködern.

Die Kunstlobbyisten auf dem Podium erreichten einen Phrasen-Output, der dem Antje Vollmers in nichts nachstand. Je länger man ihnen lauschte, desto unangenehmer drängte sich die Vermutung auf, dass die Subventionskultur eine Mentalitätsmischung aus Selbstgerechtigkeit, Larmoyanz und mit Moralparolen kaschierter Geldgier produziert. Adolf Muschg beschränkte sich darauf, unterhaltsam gehobene Bildungsbürger-Schnurren abzuspulen. Ivan Nagel gefiel sich in der Rolle des Inquisitors, der schneidende Frage stellt, ohne sich die Mühe zu machen, seine Forderungen näher zu begründen. Wenn wir ihn richtig verstanden haben, träumt er davon, dass die Subventionen für die Künste die Dimension der Wirtschaftsförderung erreichen. Udo Zimmermann forderte recht wirr eine Schutzzone für die Kunst. So hat man sich eine peinliche Parodie auf den gern beschworenen Dialog zwischen Geist und Macht immer vorgestellt. PETER LAUDENBACH