DEUTSCH-FRANZÖSISCHE VERSTÄNDIGUNG
: Mehr als eine Bagatelle

Nebensachen aus Paris

DOROTHEA HAHN

Wer das Wort bei dem Diner bei meiner Freundin in Paris in die Runde geworfen hat, lässt sich nicht rekonstruieren. Irgendjemand hat „bagatelle“ gesagt. Sowohl die Franzosen als auch die Deutschen am Tisch glaubten, dass sie verstanden, was gemeint war: Eine Bagatelle ist eine Angelegenheit ohne große Bedeutung. Eine Nebensache in beiden Sprachen. In Paris ist Bagatelle außerdem der Name eines Parks am westlichen Stadtrand. Eine Anlage, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert in Mode waren: mit Kunstfelsen, Kunstwasserfall, einem Rosengarten und Schlösschen.

Dass aus solchen Bagatellen ein fast abendfüllendes Thema werden könnte, war nicht zu erwarten. Doch die hitzige Diskussion über die letzten Skandale aus dem Hause Sarkozy verstummte. Die Franzosen bekamen ein Glitzern in den Augen und begannen, sich Stichworte zuzuspielen wie Codewörter unter Verschworenen: „Leichtigkeit“, „Risiko“, „Poesie“ und „Ungebundenheit“. Dabei grinsten sie vielsagend. Und wir gehörten plötzlich nicht mehr ganz dazu.

„La bagatelle“, sagte schließlich ein Franzose – mit Betonung auf dem bestimmten Artikel. Dabei guckte er so provozierend in die Runde, dass mir die besondere Bedeutung wieder einfiel. Ich platzte laut mit meiner Weisheit heraus: „Damit ist Sex gemeint.“ Ich hätte den Mund halten sollen. Meine Landsleute rümpften die Nase. Von einem Abend mit französischen Journalisten und Künstlern hatten sie anderes erwartet. Die Franzosen verzogen das Gesicht. „Um Himmels willen“, stöhnte meine Freundin, „nach 15 Jahren in Paris müsstest du das besser wissen.“

Es half nichts, dass ich auf Lieder und Texte verweisen konnte, die von „la bagatelle“ handeln. Als ich One-Night-Stand sagte, schlugen die Franzosen die Hände überm Kopf zusammen. Im besten Fall war ich eine Spielverderberin. Im ungünstigsten ein fantasieloser Trampel.

Die Vieldeutigkeit von „la bagalle“ ließ den Franzosen Flügel wachsen. Uns hingegen verlieh sie eine bleierne Schwere. Zum Abschied versuchte meine Freundin mich zu trösten: „Das lässt sich nicht mit deutschem Rationalismus ergründen.“

Kurze Zeit später traf ich Studenten, eine Generation jünger als die Tischgesellschaft. Sicherheitshalber habe ich sie nach „la bagatelle“ gefragt. „Ein Park in Paris“, kam die Antwort. Ich hielt mein Spezialwissen dagegen. „Pah“, entgegnete ein Mittzwanziger: „Das ist uralt. Ein Konzept aus dem 19. Jahrhundert.“