Das Team der Arbeitgeber

Kanzlerkandidatin Angela Merkel macht Ernst mit dem Ende der Sozialdemokratisierung der CDU. Das zeigt ihr Kompetenzteam

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Es drohte furchtbar langweilig zu werden, gestern in der CDU-Zentrale. Als Angela Merkel ihr so genanntes Kompetenzteam auf die Bühne bat, waren alle Mitglieder bereits bekannt. Zum Teil seit Jahren. Günther Beckstein, Wolfgang Schäuble und Annette Schavan kämpften schon 2002 in Edmund Stoibers Wahlkampftruppe. Auch der letzte Neuzugang, Paul Kirchhof, war keine Überraschung – die Vorstellung ihres „Supermanns für Haushalt und Finanzen“ hatte Merkel Bild überlassen. „Mehr Kompetenz“, hatte das Springer-Blatt zum Dank geschrieben, „geht nicht.“

Trotzdem lieferte die Veranstaltung dann doch eine Reihe interessanter Erkenntnisse. Zum ersten Mal deutete sich an, wie Merkel als Kanzlerin agieren könnte: sehr dominant. Wie eine Oberlehrerin bei der Zeugnisvergabe referierte Merkel, wer sich womit das Recht erworben habe, in ihrem Team Aufnahme zu finden. Eine hohe Ehre, wie sie deutlich zeigte, aber für manche vielleicht ein zweifelhaftes Vergnügen.

Denn, so stellte Merkel unmissverständlich klar: Eine Zusage, nach einem Wahlsieg auch Minister werden zu dürfen, hatte keiner der neun Kompetenzleute von ihr bekommen. Nur umgekehrt, natürlich, gab es Zusagen: Alle außer dem Vertreter für die neuen Länder, Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus, erklärten sich bereit, in einem Merkel-Kabinett zu dienen.

Als braver Diener seiner Herrin trat an diesem Tag, immerhin dem wichtigsten Termin für die Union vor der heißen Wahlkampf-Endspurtphase, auch Bayerns Ministerpräsident Stoiber auf. Ansonsten zu langen Vorträgen neigend, stand er diesmal meist nur stumm da. Viel mehr als die Floskel, dass Deutschland einen Wechsel brauche, „mit unserer Kanzlerkandidatin Angela Merkel an der Spitze“, fiel ihm nicht ein.

Stattdessen hörte auch Stoiber staunend zu, wie Merkel Prioritäten setzte. Wie sie die so vorhersehbare, weil von den Namen her alles andere als spannende Verlesung ihrer Mannschaftsaufstellung nutzte, um klar zu machen, was ihr wirklich wichtig ist. Wer bisher noch Zweifel hegte, in welche Richtung eine Kanzlerin Merkel das Land steuern würde, wenn sie könnte, wie sie möchte, wurde schlauer.

Seit gestern gibt es keinen Zweifel mehr: Merkel meint es ernst mit ihrem Kurs, den sie vor zwei Jahren einschlug. Mit ihrer Rede zum Tag der Deutschen Einheit, in der sie erstmals radikale Reformkonzepte wie das Kopfpauschalenmodell anpries. Mit dem „Ende der Sozialdemokratisierung“ der Union, die Friedrich Merz damals kommen sah.

Die Programmbeschlüsse auf dem Leipziger CDU-Parteitag im Dezember 2003 mögen zwar inzwischen stark verwässert worden sein – durch die Kompromisse mit Stoibers CSU. Für den Papierkorb geschrieben wurden sie aber nicht. Sie bilden nach wie vor das Fundament, auf dem Merkel aufbauen wird, falls sie die Gelegenheit dazu erhält.

Anders kann und soll es wohl auch nicht verstanden werden, dass Merkel gleich bei zweien ihrer Mitstreiter eine Empfehlung für besonders wichtig hält: Nämlich, Politik nach dem Geschmack der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zu betreiben. Gleich zu Beginn ihrer Lobeshymne auf den Steuervereinfachungsfachmann Kirchhof erwähnte Merkel, er sei von dieser Organisation zum „Reformer des Jahres“ gewählt worden. Der saarländische Regierungschef Peter Müller, seit gestern Kompetenzmann der Union für Wirtschaft und Arbeit, trage den Ehrentitel „Ministerpräsident des Jahres“, den ebenfalls die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft vergibt. Empfehlungen, die für das breite Publikum wohl hauptsächlich positiv klingen. Dass sich hinter diesem Verein eine von Arbeitgeberverbänden gesponserte Lobby verbirgt, sagt Merkel natürlich nicht dazu.

Schließlich soll diese Truppe – nach außen hin überparteilich und neutral – weiter Propaganda machen für weit radikalere Reformen, als sie bisher im offiziellen CDU-Wahlprogramm stehen. Dass Merkel solche Reformen will, wird auch am Beispiel Ursula von der Leyen deutlich. Diese ist im Team für „soziale Sicherheit“ zuständig ist, und zwar – so Merkel –, weil sie maßgeblich am Konzept der Gesundheitsprämie mitgewirkt habe.

So hat Merkel gestern Akzente gesetzt. Erst wenn der Erfolg ausbleibt, werden sich die zu Wort melden, die nicht mit im Team sind. Die Ministerpräsidenten Roland Koch, Christian Wulff und Jürgen Rüttgers.