„Passt gerade nicht“

Seit Xi Jinping regiert, leben Journalisten in China besonders gefährlich

Als ich 2012 begann, aus Peking zu berichten, war ich optimistisch. In China herrschte zwar Zensur, aber die kommunistische Führung kontrollierte die Presse nicht mehr so scharf. Offiziell war es ausländischen Journalisten seit den Olympischen Spielen in Peking 2008 erlaubt, frei zu recherchieren und Interviews zu führen, ohne dies beim Außenministerium oder bei lokalen Behörden anzumelden. Zur gleichen Zeit revolutionierten die sozialen Medien die Kommunikation der Bürger untereinander. Würde die Zensur dies in den Griff bekommen? Das schien kaum möglich – und so gab es Hoffnung auf einen Wandel. Ein weiterer Grund zum Optimismus: hochmotivierte junge JournalistInnen, die ihr Handwerk zum Teil im Ausland gelernt hatten und die es mit großem Eifer im eigenen Land anwenden wollten. Landesweit erschienen Tausende Zeitungen und Zeitschriften, sendeten Hunderte Fernseh- und Radiostationen. Wie in demokratischen Ländern mussten sie um Leser, Zuhörer und Zuschauer buhlen. Wer wollte schon die staubtrockenen Meldungen der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua oder des KP-Organs Volkszeitung lesen und hören? Spannende Geschichten waren gefragt, interessant und lebensnah. Mit vollständiger Meinungsfreiheit rechnete ich nicht. Zumindest jedoch würde sich China ein Stück weit öffnen – so wie sich das Riesenreich auch wirtschaftlich geöffnet hatte. Ich habe mich geirrt, all das klingt heute wie ein Bericht aus einer fernen Vergangenheit. Seit Xi Jinping an der Staats- und Parteispitze steht, ist die Arbeit von Journalisten in China gefährlich geworden. Zensoren haben das Internet zurückerobert, sie löschen Texte und Einträge, Polizisten verhaften kritische Blogger, Redakteure müssen sich „schulen“ lassen. Statt kritische Reportagen zu schreiben, singen chinesische Journalisten heute das Hohelied Xis. Ein Gesetz bestraft nun die Weitergabe von „sicherheitsrelevanten Informationen“. Was das ist, entscheiden allein die Behörden. Wenn Journalisten beispielsweise ihre Rechercheergebnisse an ein ausländisches Medium weitergeben, droht ihnen Klage wegen Landesverrats. Ein Gericht verurteilte die heute 76-jährige Journalistin Gao Yu 2015 zu sieben Jahren Haft, weil sie angeblich Informationen an die Deutsche Welle weitergegeben hatte. Auch für uns Auslandskorrespondenten ist die Arbeit schwer geworden. Kaum ein Politiker, Geschäftsmann oder Sportler möchte noch mit westlichen Medien sprechen. Die Dissidenten und Menschenrechtsanwälte sind verschwunden, stehen unter Hausarrest oder wurden mundtot gemacht. Akademiker, mit denen ich mich einst spontan treffen konnte, beantworten Anfragen mit der knappen Zeile: „Passt gerade nicht.“ Felix Lee