Die Riesen-Koalition der Kohleempfänger

Im Ring politischer Jugend machen selbst Jusos und Junge Union gemeinsame Sache: Sie kassieren Geld von der Landesregierung. Ein Staatsrechtler spricht jetzt von Klüngel bei der Parteijugend

Der Ring hat keine Geschäftsstelle, kein Telefon und keine Webseite

VON SEBASTIAN HEISER

„Da werden Wettbewerber nur deshalb ausgeschlossen, weil sie nicht dem etablierten Parteienspektrum angehören. Das widerspricht der Gleichberechtigung“, sagt Hubert Schmelter, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes NRW. Er hält es für nicht zulässig, wie das Land seine Förderung an die politischen Jugendverbände verteilt.

Die Jugendverbände entscheiden nämlich ganz allein, wer von ihnen wie viel der 1,15 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt bekommt. Und Jungsozialisten, Junge Union, Grüne Jugend und Junge Liberale hatten die linken, parteiunabhängigen Jungdemokraten aus ihrem Dachverband „Ring Politischer Jugend“ ausgeschlossen. Damit gibt es ab dem Jahr 2006 auch keine öffentliche Förderung mehr für die Jungdemokraten, die jetzt gegen den Ring klagen (die taz berichtete).

Die Parteijugenden legten dem Landgericht Düsseldorf eine erstaunliche Selbstdefinition vor: „Die Jugendorganisationen der Parteien sind dazu da, den Führungsnachwuchs für die Politik heranzubilden“, so Helmut Neumann, Anwalt des Rings. Die Jungdemokraten aber hätten keine Mutterpartei und hätten sich somit „dieser für eine Demokratie wesentlichen Aufgabe versagt“.

Marc Overmann, Geschäftsführer der NRW-Jusos, sprach vor Gericht von einer „strukturellen Bereinigung“ des Ringes: Nur die Jugendverbände der Parteien sollten hier Mitglied sein und keine weiteren Verbände. Richterin Reuter fragte nach, welchen Grund es für den Ausschluss ausgerechnet jetzt gebe, obwohl die Jungdemokraten schon seit über 20 Jahren keine Mutterpartei haben. Overmann erklärte, in Jugendverbänden würden die Vorstände häufig wechseln. Daher könnten Entscheidungsfindungen auch mal etwas länger dauern.

Ausgeschlossen

Die Jungdemokraten, die 1982 alle Verbindung zur FDP auflösten, haben eine ganz andere Erklärung, warum die Parteijugenden sie ausgerechnet jetzt aus dem Ring Politischer Jugend ausgeschlossen haben: Im Jahr 2002 hatte die Landesregierung in einer allgemeinen Sparrunde auch die über den Ring verteilten Mittel um gut 13 Prozent gekürzt. Torsten Schulte, Prozessbeauftragter der Jungdemokraten: „Danach ist offensichtlich der Plan der Parteijugenden entstanden, uns aus dem Ring zu werfen, das Geld unter sich aufzuteilen und so die Kürzung auszugleichen.“

Tatsächlich: Im Jahr 2003 beschlossen die vier Parteijugenden zunächst den „Ausschluss der Jungdemokraten (...) durch Erlöschen der Mitgliedschaft“. Denn laut Satzung des Rings Politischer Jugend brauchten die Jungdemokraten 1.500 Mitglieder, um weiter im Ring bleiben zu können. Die Parteijugenden beauftragten das zuständige Landesministerium, die Mitgliederzahl zu prüfen. Ein Notar bestätigte jedoch, dass die Jungdemokraten genug Mitglieder haben. Als dieser Weg also nicht zum Ziel führte, änderten die Parteijugendverbände Anfang 2004 die Satzung und die Jungdemokraten fielen so aus dem Ring - und damit aus der öffentlichen Förderung.

Verteilungskartell

Das zuständige Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration bestätigt, dass der Ring Politischer Jugend das Monopol über die Aufteilung der 1,15 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt hat. „Grund für das Ende der Förderung der Jungdemokraten ist nicht die Qualität der politischen Bildungsarbeit des Verbandes oder eine politische Entscheidung der Landesregierung, sondern allein der formale Grund, dass der Verband nicht mehr Mitglied im Ring Politischer Jugend ist“, so Andreas Lautz, der Sprecher des zuständigen Landesministers Armin Laschet (CDU).

Lautz verweist darauf, dass das Ministerium keinen Einfluss auf den Ring hat: „Die Frage nach Satzungen beziehungsweise satzungsändernden Mehrheiten ist im Vereinsrecht geregelt. Jedes Mitglied tritt einem Verein in Kenntnis der Satzung und der damit verbundenen festgelegten Mehrheiten bei. Handlungsbedarf besteht hier für die Landesregierung insofern nicht.“

Das heißt: Die Landesregierung zahlt öffentliche Mittel nur an Verbände, die Mitglied in einem privaten Verein sind. Mit den Entscheidungen dieses Vereins über seine Mitglieder und die Verteilung des Geldes will die Landesregierung dann aber nichts mehr zu tun haben.

Wer bekommt wie viel?

Völlig im Dunkeln bleibt, welcher Jugendverband wie viel Förderung aus dem öffentlichen Haushalt bekommt. Den Verteilungsschlüssel legen die Verbände im Ring fest und geben ihn an die Landesregierung weiter, die ihn aber auf Anfrage nicht veröffentlicht. Ministeriumssprecher Andreas Lautz sagt, die Frage müsse der Ring beantworten.

Der Ring aber hat aber keine Geschäftsstelle und keine Angestellten, keinen Telefonanschluss und keine Webseite. Seine einzig erkennbare Tätigkeit ist ja, den Verteilungsschlüssel für das Geld von der Landesregierung festzulegen. Die Geschäftsführung des Rings wechselt zwischen den Mitgliedsverbänden, derzeit liegt sie bei den Jusos NRW.

Marc Neumann ist Geschäftsführer der Jusos. Seit über einem Monat liegt auf seinem Tisch die Anfrage, wie der Verteilungsschlüssel für das Geld vom Land jetzt lautet. Zunächst antwortet er lediglich: „Die Gelder werden prozentual verteilt.“ Auf Nachfrage heißt es, er müsse zunächst mit den Parteijugenden im Ring Rücksprache halten. Seither: Funkstille.

Auch ein Gang zum Vereinsregister hilft nicht weiter. Alle eingetragenen Vereine müssen hier die Protokolle ihrer Mitgliederversammlungen abgeben – dort müsste der Beschluss über die Verteilung der Mittel zu finden sein. Jedoch: Der Ring Politischer Jugend hat die Form eines „nicht rechtsfähigen Vereins“. Das heißt: Keine Eintragung im Vereinsregister, keine Protokolle in den Akten.

Bleibt noch der Weg über die Rechenschaftsberichte der Parteien. Schließlich müssen die laut Parteiengesetz die Ausgaben und Einnahmen auch der Landesverbände veröffentlichen. Doch exakt für den gesuchten Fall gibt es eine Ausnahme. In Paragraph 24 Absatz 12 des Parteiengesetzes heißt es: „Öffentliche Zuschüsse, die den politischen Jugendorganisationen zweckgebunden zugewendet werden, [...] bleiben bei der Einnahme- und Ausgaberechnung der Partei unberücksichtigt.“

Der Verteilungsschlüssel bleibt also geheim, und auch das kritisiert Staatsrechts-Professor Schmelter: „Der Verteilungsschlüssel muss transparent sein und er muss willkürfrei sein.“ Der Schlüssel müsse sie sich nach klaren Kriterien richten, etwa der Zahl der Mitglieder. “Wenn die Jugendverbände das selbst nicht hinbekommen, muss Minister Armin Laschet die Kriterien vorgeben und einen Schlüssel ausarbeiten.“

Urteil offen

Richterin Reuter sagte in der Hauptverhandlung, für sie laufe die Entscheidung auf eine Abwägung hinaus. Auf der einen Seite stehe dabei, dass Verbände wie der Ring Politischer Jugend ihre Satzung selbst bestimmen können. Auf der anderen Seite stehe die lange Mitgliedschaft der Jungdemokraten im Ring und die möglichen Motive für den Ausschluss. Eine Tendenz für den Urteilsspruch war noch nicht zu erkennen, am 2. September wird die Entscheidung verkündet.

Eine recht abenteuerliche Behauptung brachte der Ring Politischer Jugend als einen der Gründe für den Ausschluss der Jungdemokraten: Die Förderung des parteiunabhängigen linken Jugendverbandes über den Ring habe einer Richtlinie der Landesregierung widersprochen. So schrieb es der Ring-Anwalt Helmut Neumann an das Gericht. Die Förderung der Jungdemokraten über den Ring in der Vergangenheit sei unzulässig gewesen.

Falsche Stellungnahme

Bezichtigt der Ring sich hier selbst des Rechtsbruches? Auf Anfrage nahm Marc Overmann von den Jusos, die derzeit die Geschäftsführung im Ring haben, die Behauptung seines Anwaltes zurück. Schriftlich erklärte er: „Da gab es wohl einen Kommunikationsfehler mit unserem Anwalt. Diese Stelle in dem Schriftstück ist sachlich falsch. Wir gehen davon aus, dass die Mittelvergabe [...] zulässig war.“

Bei der Gerichtsverhandlung danach wiederholte der Anwalt seine Behauptung. Marc Overmann saß daneben und unternahm nichts, um seinen Anwalt vor der Stellungnahme abzuhalten, die er selbst fünf Tage vorher für „sachlich falsch“ erklärt hatte. Offensichtlich argumentiert der Ring in dieser Frage so, wie es ihm gerade am besten passt: In dem von den Jungdemokraten angestrengten Verfahren gegen den Ring heißt es, der Verband habe ohnehin keine Mittel erhalten dürften. Und gegenüber der Öffentlichkeit heißt es, genau diese Mittelvergabe sei in der Vergangenheit völlig zulässig gewesen.

Was übrigens wirklich sachlich richtig ist, lässt sich vorerst nicht klären. Das zuständige Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration erklärt auf die Anfrage, ob die Behauptung des Anwaltes richtig sei: „Zu Inhalten, die laufende gerichtliche Verfahren tangieren, gibt das Ministerium keine Stellungnahmen ab.“