Berliner Platten
: Haben oder nicht haben müssen: wie immer eine Geschmacksfrage. Vom Morr Label kommt High-End-Indietronic mit Lali Puna, und Flexevil warnen vor dem Konsum

Lali Puna: „Papa Was A Rodeo“ (Morr Music/anost 006)

Manchmal fallen einem beim Umgraben des Schreibtischs auch Sachen in die Hände, die nun nicht direkt Berliner Provenienz sind und dennoch hübsch, wie das neue Album von Lali Puna, wobei das beim Berliner Label Morr Music erschienene „I Thought I Was Over That“ (Indigo/Hausmusik) nun auch schon wieder einige Wochen auf dem Markt ist. Bei der Band hat man ebenfalls ein wenig Forschungsarbeit betrieben, denn hier handelt es sich neben ein paar neuen Stücken um eine Kompilation von B-Seiten und Remixen, sei es solchen, die die Band für andere gemacht hat wie für die Two Lone Swordsmen, oder auch Remixe von Lali-Puna-Nummern von anderen wie wiederum den Two Lone Swordsmen.

Ein schicker Gemischtwarenladen also, und natürlich ist das alles exquisit, mit den Stereolab-Hypnosen, dem gehauchten Gesang und den geschmeidigen Beats. Schön kolorierte musikalische Marshmellows für die Existentialistenlounge. Jedes Knistern ist mit der Feinwaage abgemessen und der Pop sorgfältig dosiert. Vielleicht derzeit Deutschlands feinsinnigstes Arbeiten an Indietronics, und halt auch wieder ein traumverlorenes Tanzen hinter melancholisch gebauschten Gardinen. Und das sind bei Lali Puna natürlich die mit der Goldkante wie alle diese Dinger aus dem Weilheim-Pool. Fast ist das ein bisschen zu viel an geschmackvollen Produzieren auf den Samtpfoten, als dass sich das auf die Dauer der CD nicht auch in eine Hintergrundmusik verflüchtigen könnte, die niemandem weiter weh tut oder sonstwie bei den allgemeinen Lebensverrichtungen stört. Was zu der gleichfalls vor kurzem erschienenen Vinyl-Single von Valerie Trebeljahr und Markus Acher (mit Notwist-Fame), dem intimen Kern von Lali Puna, führt. Weil so eine Single ist ein handlicheres, Aufmerksamkeit erzwingendes Format. Einem Kollegenwitz folgend, firmieren die beiden hier als John Yoko, und konzeptionell wäre es natürlich noch schöner gewesen, wenn sie auch tatsächlich etwas von John und Yoko gecovert hätten und nicht was von The Magnetic Fields und von Smog. Wobei das gleichfalls hübsche Lieder sind und in diesen angenehm schläfrig schlichten Versionen vielen Sachen von Lennon/Ono gar nicht so unähnlich.

Harter Schnitt. Die letzten Zeilen gehören vor allem Udo Lindenberg, weil der das schon Mitte der Siebziger elegant hinbekommen hat, diese Vermengung von Hörspielsequenzen und Song, die sich Flexevil am Beispiel von „Cowboy-Rocker“ (auf „Ball Pompös“) ruhig einmal hätten anhören sollen, als sie für ihr Album „David vs Goliath“ (Island/Universal) die ach wie pfiffige Idee hatten, ein HipHop-Hörspiel in die Welt zu bringen. So eine Art Benjamin Blümchen trifft auf Aber-so-was-hart-am-Leben-dran-sein-wollende-Reime, die die Berliner HipHop-Combo aus dem R.O.T-Stall (ansonsten noch bekannt wegen Mia) hier um sich schmeißt. Gleich zum Beginn des Albums wird da übrigens der jugendliche Kaufrausch aufs Korn genommen. Genau! Macht doch was gegen den ewigen Konsum. Hier kann man schon mal damit anfangen. THOMAS MAUCH