Ein bisschen diverser

Mit einem Förderprogramm will die Kulturbehörde Künstler*innen mit Fluchterfahrung für ein Jahr an Kulturinstitutionen vermitteln. Aber es gibt auch Kritik daran

„Die Belegschaften der meisten Kultureinrichtungen sind homogener als die Gesellschaft drumherum“

Carsten Brosda, SPD-Kultursenator

Von Till Wimmer

Die Hauptstadt hat es vorgemacht. Das Programm „Weltoffenes Berlin“ ist die Blaupause für das vorige Woche von der Behörde für Kultur und Medien vorgestellte Förderprogramm „Intro“ für geflüchtete Künstler*innen. Ab September sollen acht professionelle Kulturschaffende mit Fluchthintergrund für ein Jahr mit Hamburger Kultureinrichtungen zusammenarbeiten. Dabei sind unterschiedliche Formen der Kooperation wie Hospitanzen, längerfristige Mitarbeit oder die Entwicklung eines gemeinsamen Projekts möglich. Finanziert wird „Intro“ aus Mitteln des Integrationsfonds.

Das Förderprogramm solle der sich verändernden Stadtgesellschaft Rechnung tragen, sagt Kultursenator Carsten Brosda (SPD). Denn: „Die Belegschaften der meisten Kultureinrichtungen sind homogener als die Gesellschaft drumherum.“ Geflüchteten Künstler*innen und Kreativen solle das Programm ermöglichen, aktiv in der Hamburger Kulturlandschaft mitzuwirken.

Auch Menschen, die keine Arbeitserlaubnis, sondern lediglich eine Duldung oder beschränkte Aufenthaltserlaubnis haben, dürfen an dem Projekt teilnehmen. Möglich wird das dadurch, dass die Förderung als Stipendium gilt.

„Ich finde es bemerkenswert, dass die Kulturbehörde in diesem Punkt die erforderliche Sensibilität und Weitsicht hat“, sagt die Dramaturgin des Kampnagel-Theaters, Nadine Jessen. Mit dem Programm „Mi­grantpolitan“, ebenfalls eine Inspirationsquelle für „Intro“, entwickelt Kampnagel in Zusammenarbeit mit eingewanderten Künstler*innen seit 2015 diverse Formate.

Staatlich geförderte Kultureinrichtungen können sich, zusammen mit einer geflüchteten Künstler*in oder Kulturschaffenden, ab sofort bis zum 30. Juni für das Projekt bewerben.

Die Stipendiat*innen werden monatlich mit 1.500 Euro gefördert. 500 Euro pro Monat bekommen die Einrichtungen als Projektmittelzuschuss. „Es muss kein riesiges neues und teures Projekt sein“, betont Laura Helene Rüge, Referentin für Interkulturelle Projekte der Behörde für Kultur und Medien. „Wichtig ist, dass es die Chance ermöglicht, ernsthaft, nachhaltig und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten.“

Vorerst können nur Menschen gefördert werden, die bereits in Deutschland leben. Ob zukünftig Menschen mit Hilfe des Stipendiums nach Deutschland kommen dürfen, müsse man dann sehen, sagt Brosda. „Über den zweiten Schritt machen wir uns erst Gedanken, wenn wir wissen, dass der erste Schritt in die richtige Richtung gegangen ist.“

Aber es gibt auch Kritik an dem Programm. Die Auswahl der zu fördernden Stipendiat*innen trifft eine behördeninterne und anonyme Fachjury. Wer in der Jury sitzt und nach welchen Kriterien sie genau vorgeht, weiß außerhalb der Behörde niemand.

Jessen findet das „schräg“, schließlich komme der Besetzung der Jury eine Schlüsselrolle zu: An der Auswahl der Stipendiat*innen werde es liegen, ob „Intro“ tatsächlich Neues hervorbringe. Zudem hätten einige Institutionen ohnehin schon eng mit Geflüchteten zusammengearbeitet. Das aber werde durch das Programm nicht gewürdigt, stattdessen könnten nun Institutionen, die das bislang nicht taten, finanziell profitieren. „So wird Stillstand belohnt und Diversity-Washing betrieben“, fürchtet Jessen.

Auch wie die Bewerber*innen ihre künstlerische Expertise nachweisen sollen, ist nicht ganz klar. Brosda sagt dazu: „Natürlich hat nicht jede Person, die als Künstler tätig ist, einen entsprechenden Nachweis zur Hand.“ Deshalb arbeite die Behörde mit offeneren Strukturen: Man verlasse sich einerseits auf die Sinnhaftigkeit der Auswahl der Einrichtungen, andererseits auf Arbeitsproben und persönliche Gespräche.

„Lasst uns jetzt nicht zu Konkurrenten werden“, appelliert Jessen an die Kulturszene, „sondern schauen, wie wir am sinnvollsten mit den Ressourcen umgehen können.“