berliner szenen
: In der Business Class

Dass ich ausgerechnet an dem Tag, an dem in Berlin die Osterferien begannen, eine Zugfahrt gebucht hatte, war mir nicht klar. Ich hatte gehofft, es wäre schlauer, eine Woche vor Ostern meine Eltern zu besuchen, damit die Züge nicht ganz so voll sind. Aber nein, falsch gedacht, merkte ich, als ich in der überfüllten S-Bahn in Richtung Hauptbahnhof saß. Überall Kinder.

Schon jetzt schien mein Vorhaben für den Zug – viel lesen und schreiben – schier unmöglich. Am Hauptbahnhof sah ich noch mehr Kinder, ganze Schulklassen. Aber Moment mal: Warum Schulklassen, wenn doch die Ferien heute starten? Das mussten dann wohl Kinder aus anderen Bundesländern sein. Am Gleis wartend, dachte ich zurück an die Zeit, als ich noch Ferien hatte. Da war ich auch so aufgekratzt am ersten Ferientag. Und jetzt bin ich so ’ne nervige Alte, die arbeiten muss oder will oder sollte.

Genau, im Zug stellte ich fest, dass nicht die Kinder, sondern die Alten diejenigen sind, die nerven. Zumindest an meinem Viererplatz war das so. Ungewollt landete ich trotz zweiter Klasse in der Business Class. Ich wollte gerade die Titelstory der taz lesen, als die Frau gegenüber von mir begann, ein Geschäftsgespräch zu führen. Es ging um Gehaltserhöhung, geführt in falscher Freundlichkeit. Ekelhaft. Ich versuchte immer wieder, mich auf die Zeilen der Zeitung zu konzentrieren. Da ging es immerhin um Wichtiges, Weltbewegendes. Aber diese Frau fühlte sich selbst so wichtig, dass es ihr scheinbar nichts ausmachte, Fragen um Geld laut und großkotzig vor anderen zu verhandeln. Nach mehreren Minuten beglückwünschte sie die Person am Hörer. 100.000 pro Jahr, das wäre doch mal ein netter Anfang. Und ich hoffte nur, dass dieser Anfang das Ende ihres Telefonats und der Anfang meiner Ruhe wäre. Aber nein, schon wieder falsch gedacht. Eva Müller-Foell