„Grenze unterschritten“

Hartz IV-Sätze für Kinder vor Gericht

■ ist Direktor des Sozialgerichts Oldenburg und Geschäftsführer des Deutschen Sozialgerichtstages.  Foto: privat

taz: Das Verfassungsgericht verhandelt heute über die Hartz IV-Sätze für Kinder. Ist es verfassungsgemäß, wenn man als 14-Jähriger 30 oder 40 Prozent weniger als ein Erwachsener bekommt?

Wulf Sonnemann: Der Deutsche Sozialgerichtstag hält die Kinderregelsätze für nicht verfassungskonform. Deren konkrete Höhe legt zwar der Gesetzgeber nach seinem Ermessen fest. Es gibt aber eine untere Grenze – und die ist hier unserer Meinung nach unterschritten.

Müssen Kinder nach dem Gleichheitsgrundsatz genauso viel bekommen wie Eltern?

So weit würde ich nicht gehen. Auch früher schon bekamen Kinder und Jugendliche weniger, das ist von der Rechtssprechung akzeptiert worden. Kinder haben aber einen eigenen, spezifischen Bedarf. Derzeit werden sie wie kleine Erwachsene behandelt: Es werden einfach 30 bis 40 Prozent abgezogen.

Wie bemisst sich das Minus?

Die Bedarfssätze für Kinder werden pauschal nach der Regelleistung für Erwachsene bemessen. Der spezifische Bedarf für Kinder und Jugendliche wird derzeit nicht statistisch ermittelt. Das ist nicht nachvollziehbar. Die Werte sind einfach gegriffen.

Es gibt Stimmen, die sagen, Kinder müssten mehr als Erwachsene bekommen.

In Teilbereichen stimmt das wohl, wenn man etwa an Kleidung denkt.

Welche Summe halten Sie für angemessen?

Wir können da keine Zahl nennen. Das muss erstmal genau ermittelt werden.

Im Juni 2009 lebten in den Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften im Land Bremen 24.893 Kinder unter 15 Jahren. Haben wir es hier nicht mir organisierter Kinderarmut zu tun?

Das will ich dem Gesetzgeber nicht unterstellen. Die Höhe der Regelleistung ist jedenfalls entscheidend für die Chancen und Zukunftsperspektiven der Kinder und dient der Vermeidung von Ausgrenzung.

Der Bundesrat hat auch auf Initiative von Bremen einige Verbesserungen gerade für Schulkinder auf den Weg gebracht.

100 Euro zusätzlich für ein Schulstarterpaket sind aus unserer Sicht für ein ganzes Schuljahr aber zu wenig. Interview: Jan Zier