die woche in berlin
: die woche in berlin

An der Technischen Universität eröffnet die erste vegane Mensa der Stadt, beim Enteignungs-Volksbegehren sieht es nicht danach aus, als könne der Senat einen Volksentscheid noch abwenden – und mit seiner verschärften Schuldenbremse vergrätzt der Finanzsenator die Koalitionspartner

Vegan ist kein Aufreger mehr

Berlin hat jetzt die erste vegane Mensa

Seit Dienstag versorgt die „Veggie 2.0 – die tiefgrüne Mensa“ an der Technischen Universität Studierende mit Gemüsepuffern und Getreidebolognese. Das ist begrüßenswert: Immerhin ernähren sich bereits 13,5 Prozent von 14.000 befragten Berliner Studierenden vegan, fand das Studierendenwerk in einer Umfrage heraus. Die fanden zwar bereits in der alten Mensa etwas Essbares. Vielleicht probieren aber so auch fleischessende Studierende die vegane Variante.

Zwar ist die vegane Mensa mit ihren angepeilten 500 Gästen pro Tag ein Nischenangebot – die anderen 56 Mensen und Cafés des Studierendenwerks versorgen insgesamt 33.000 Gäste. Dennoch scheint das vormals umkämpfte Politikum, siehe Debatten über Veggie Days in Schulen, zumindest in der Hauptstadt langsam Akzeptanz zu finden. Veganismus bietet Identifikation in Zeiten von Fridays for Future, in denen besonders junge Menschen nachhaltig konsumieren wollen.

14,5 Prozent aller weltweit menschengemachten Treibhausgase sollen laut FAO, der Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen, aus der Tierhaltung stammen. Konsequente Klimaschützer verzichten also auf Tierprodukte. Mit dem „Klimateller“ in der „Veggie 2.0“ soll man angeblich sogar CO2-neutral essen können. Auch gesundheitsbewusste oder Menschen mit Unverträglichkeiten wie Lactoseintoleranz finden Anschluss. Das vegane Mensaessen könnte sogar jüdische oder muslimische Studierende zufrieden stellen, da es koscher und halal ist.

Immer mehr Nahrungsmittelketten springen auf den veganen Zug auf, Supermärkte erweitern ihr Fleischersatz-Sortiment. Dadurch sind tierfreie Produkte mittlerweile so verbreitet, dass sie nicht mehr nur Accessoire der Wohlhabenden sind. Sogar McDonald’s setzt einen veganen Burger auf die Speisekarte. Mit der zunehmenden Normalisierung erlischt auch der Diskussionsbedarf. Stattdessen wird das früher linke Randthema auf verschiedensten Preis­ebe­nen vermarktet.

Das Studierendenwerk hat erklärt, mit der veganen Mensa nicht missionieren zu wollen. Während an anderen Orten in der Stadt Identitäten noch am Esstisch ausgehandelt werden, zum Beispiel in der Debatte um Aldi in der Markthalle Neun, wird Veganismus Schritt für Schritt zu einer Ernährungsform unter vielen. Das ist einerseits ein Erfolg. Vielleicht braucht es den Streit aber auch. Anima Müller

Die SPD muss sich was einfallen lassen

Der Senat und die Enteignungsdebatte

Sechs Monate hatte sie Zeit, nach ein paar Tagen war es geschafft: Die Initiative hinter dem Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ hat die für die erste Stufe des Verfahrens erforderlichen 20.000 Unterschriften nach eigenen Angaben längst in Sack und Tüten.

Trotzdem sammelt sie weiter: Bei der ersten Stufe deutlich mehr als die erforderlichen Unterschriften abzugeben gehört mittlerweile sozusagen zum guten Ton der Berliner Volksbegehren. Beim Mietenvolksentscheid war es so, beim Radentscheid ebenso, beide sendeten damit ein Signal an den Senat: An uns werdet ihr nicht vorbeikommen.

Das gilt auch für das Enteignungsbegehren. Die Sympathien für dessen Anliegen sind groß in Berlin, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei dem ein oder anderen Regierungsmitglied und Parlamentarier. Trotzdem scheint ein politischer Kompromiss, wie er beim Mieten- und Radentscheid nach der ersten Stufe gefunden wurde, dieses Mal schwierig: Die Koalition ist sich uneinig, insbesondere die SPD wird sich wohl kaum zu einer einhellig befürwortenden Position durchringen können. Kein Wunder also, dass mehrere Koalitionäre in dieser Woche Zweifel daran äußerten, dass der Entscheid durch ein Entgegenkommen des Senats politisch abgeräumt werden könnte.

Mit anderen Mitteln zu verhindern, dass es tatsächlich zum Volksentscheid kommt, ist dieses Mal ebenfalls schwierig: Anders als beim Mietenvolksentscheid will die Initiative kein fertig ausgearbeitetes Gesetz vorlegen, sondern den Senat per Abstimmung zwingen, ein solches zu erarbeiten. Das bedeutet auch, dass es sehr viel schwieriger sein wird, das Volksbegehren juristisch zu kippen: Wer keinen genauen Gesetzestext liefert, kann dabei auch keine Fehler machen. Und wenn sich die Verfassungsfeinde von der FDP nicht durchsetzen mit ihrem Vorhaben, mal eben das Grundgesetz zu ändern, wird es schwierig sein, das Begehren für grundsätzlich verfassungswidrig zu erklären.

Ist der Entscheid tatsächlich erfolgreich, bliebe der Weg, den der Senat beim Volksentscheid für die Offenhaltung Tegels erfolgreich beschritten hat: ignorieren, aussitzen, ablehnen. Nur: Bei Tegel schäumten deswegen zwar FDP, CDU und AfD im Abgeordnetenhaus. Der politische Druck, den die Mietenbewegung entfalten kann, ist aber ungleich größer, gerade für einen rot-rot-grünen Senat. Insbesondere die SPD wird sich zu diesem Thema etwas einfallen lassen müssen. Der Mietendeckel-Vorschlag allein scheint noch lange nicht zu reichen, um der Enteignungsdebatte den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Malene Gürgen

Gesetz zum Geld­verbrennen

Der Finanzsenator will eine verschärfte Schuldenbremse

Einig sind sich alle in einem Punkt: Berlin braucht Investitionen. Da hört es aber fast auch schon auf. Dissens mit unterschiedlichen Positionen sowohl in Koalition als auch Opposition gibt es in der Frage der Berliner Umsetzung der Schuldenbremse. Die greift auf jeden Fall ab dem 1. Januar 2020. Wie stark die im Grundgesetz verankerte Bremse zieht, ist allerdings den Ländern überlassen.

Wie die taz anhand von geleakten Gesetzesvorlagen für Änderungen in der Berliner Verfassung und Landeshaushaltsordnung berichtete, will Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) eine Vollbremsung, während beide Koali­tions­partner eher nach dem Motto „Wer bremst, hat Angst“ agieren.

Nach der Ablehnung der Linken haben sich mittlerweile auch die Grünen geäußert: „Die Antwort ist ein klares Nein!“, sagt Daniel Wesener zum Vorhaben des Finanzsenators, eine verschärfte Schuldenbremse einzuführen. „Damit würde aus der Schuldenbremse eine Investitionsbremse für die öffentliche Hand. Mit seiner Neuauflage der ‚Sparen, bis es quietscht‘-Politik steht Senator Kollatz alleine“, schrieb Wesener auf Twitter.

Nicht mittragen wollen die Koali­tions­partner die Verschärfung der Schuldenbremse, weil sie auch für verschiedene öffentliche Unternehmen gilt. Dann müsste Berlin nicht nur die 30 Milliarden Kernhaushalt des Senats, sondern auch die sogenannten Extrahaushalte ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen. Zu den Extrahaushalten gehören über 80 landeseigene Unternehmen wie die Bäderbetriebe, öffentliche Hochschulen und die Berliner Immobilienmanagement GmbH BIM.

Wie widersprüchlich Kollatz’ (SPD) restriktive Schuldenbremse ist, wird deutlich, wenn man sich das größte R2G-­In­fra­strukturprojekt dieser Legislatur mal näher anschaut: Schon jetzt trickst der Senat, um für die Schulbauoffensive für 5,5 Milliarden die Schuldenbremse zu umgehen. Die dringend erforderlichen Sanierungen und Neubauten von Schulen kann Berlin nämlich nur mit Krediten stemmen, die das Land wegen der Schuldenbremse nicht direkt aufnehmen darf.

Um das Geld aufzutreiben, hat Berlin mit der landeseigenen Baugesellschaft Howoge die Aufgaben im Rahmen einer öffentlich-öffentlichen Partnerschaft scheinprivatisiert: Die Bezirke gaben der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge Grundstücke und bröckelnde Schulgebäude, welche diese bebaut und saniert – um sie dann wieder an den Bezirk zu vermieten und so die Kredite zu bezahlen. Berlin blecht am Ende also so oder so.

Dabei wird allerdings viel Geld verbrannt. Denn diese Art der Finanzierung erlaubt zwar, dass die Kredite nicht dem Staat angerechnet werden, dafür sind sie aber teurer. Denn die Howoge zahlt für Kredite mehr Zinsen als die öffentliche Hand.

Wenn der jetzige Senat die verschärfte Schuldenbremse also durchzieht, müssten künftige Landesregierungen für größere Investitionen ähnliche Finanzierungsmodelle wie beim Schulbau anstreben. Und wären somit gezwungen, noch mehr Geld zu verbrennen.

Gareth Joswig

Die SPD will die Vollbremsung, Linke und Grüne agieren nach dem Motto „Wer bremst, hat Angst“

Gareth Joswig über den Streit im Senat um die Schuldenbremse