Friedensmission gegen Terror und Taiwan

China und Russland starten das erste gemeinsame Großmanöver. 10.000 Soldaten sind im Einsatz

MOSKAU taz ■ Unter der Parole „Friedliche Mission 2005“ begann gestern im russischen Fernen Osten das erste gemeinsame chinesisch-russische Manöver. Das militärische Großereignis soll eine Woche dauern und mit der Vernichtung eines separatistisch-terroristischen Schurkenstaates auf der chinesischen Halbinsel Shandong enden. Die „gemeinsame Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und Separatismus“ geben die beiden Gründerstaaten des Schanghaier Sicherheitsbündnisses als Ziel der Unternehmung an. 2.000 russische und 8.000 chinesische Soldaten sind an der Übung beteiligt. Die geringere Mannschaftsstärke macht Russland durch den Einsatz von Technik und Militärgerät wett.

Moskau buhlt seit längerem um die Gunst des chinesischen Nachbarn. Seit dem Zusammenbruch der UdSSR und der Auflösung des Warschauer Paktes fühlt Russland sich auch militärisch isoliert. Bereits in den 90er-Jahren versuchte der Kreml, Peking als Bündnisgenossen für das Konzept einer multipolaren Weltordnung gegen die Dominanz der USA zu gewinnen. Einer strategischen Partnerschaft stand China bislang eher skeptisch gegenüber.

Auf einem Treffen im Juni verurteilten Kremlchef Wladimir Putin und der chinesische Präsident Hu Jintao indes die „fortschreitende Monopolisierung“ durch die USA und forderten eine „multipolare Weltordnung“. Kurz darauf verlangte das Schanghai-Sicherheitsbündnis, dem auch die zentralasiatischen GUS-Staaten angehören, den Abzug der im Rahmen des Antiterrorkampfes dort errichteten amerikanischen Militärbasen. Russland will den verlorenen Zugriff im ehemaligen Imperium zurückgewinnen, China trachtet danach, die Region seinem Einflussbereich einzuverleiben.

Ob sich aus dem gemeinsamen Manöver ein tragfähiges Sicherheitsbündnis entwickelt, steht auf einem anderen Blatt. Gleichwohl kommt schon der Wahl Shandongs als Schauplatz symbolische Bedeutung zu. Bei den Grenzstreitigkeiten zwischen beiden Ländern Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre planten sowjetische Militärs, im Kriegsfall die Halbinsel zu besetzen und Chinas Nordosten vom Rest des Landes abzuschneiden. Dennoch bleiben die Beziehungen zwischen beiden Staaten jenseits der militärischen Ebene widersprüchlich. Moskau müsste die Wirtschaftskraft des Nachbarn eigentlich fürchten, der in Sibirien und im Fernen Osten deutliche Spuren hinterlässt.

Die Wahl des Schauplatzes und Einsatz von russischer Nukleartechnik, ungewöhnlich im Kampf gegen den Terror, lassen vermuten, dass Peking mit der Übung die Invasion Taiwans simulieren möchte. Moskau hat den Wiederanschluss der unabhängigen Insel ans Mutterland in bilateralen Erklärungen mehrfach unterstützt. Bei der Übung hält es den chinesischen Strategen, die die Kosten des Unternehmens tragen, nun das Hinterland frei. „Russland unterstützt China mit dem klaren Signal an die USA“ – als Taiwans Garantiemacht –, „Peking im Konflikt mit Taiwan nicht zu stören“, kommentiert die russische Agentur RosBusinessConsulting.

Kritische russische Stimmen warnen, China könnte Moskaus Minderwertigkeitskomplex gegenüber den USA nur ausnutzen. Das Muskelspiel des Kreml wird die Beziehungen zum Westen nicht verbessern. Sollte es zu einem militärischen Bündnis mit China kommen, würde Moskau darin nur die zweite Geige spielen. KLAUS-HELGE DONATH