Rot und Schwarz sind sich doch nicht recht grün

In Österreich streiten die zuletzt sehr harmonischen SPÖ und ÖVP über die Einrichtung eines neuen Asylgerichtshofs

WIEN taz ■ Politische Wende in Österreich: Die oppositionelle SPÖ kündigt den Kuschelkurs gegenüber der konservativen Regierung auf. Die Sozialdemokraten zeigen sich empört darüber, dass die ÖVP des Regierungschefs Wolfgang Schüssel die Einrichtung eines Asylgerichtshofs verschieben will. Dessen baldige Schaffung war Ende Juni im Rahmen eines Asyl- und Fremdenpakts vom Nationalrat beschlossen worden.

Dass die SPÖ dieses mittrug, war von vielen bereits als Vorleistung für eine künftige Wiederauflage der großen Koalition gedeutet worden. Die Sozialdemokraten mussten sich heftige Kritik der Grünen und der Menschenrechtsorganisationen gefallen lassen. Schließlich wurden vor allem Verschärfungen beschlossen, darunter die umstrittene Zwangsernährung für hungerstreikende Abschiebehäftlinge und die Möglichkeit der Abschiebung traumatisierter Flüchtlinge. Man habe gut verhandelt, rechtfertigte sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos damals. Vor allem habe die SPÖ erreicht, dass die Asylverfahren beschleunigt würden, unter anderem durch die Schaffung eines Asylgerichtshofs.

Bislang werden die Asylbescheide nach meist oberflächlicher Prüfung von Beamten des Innenministeriums ausgestellt. Geringe Sachkenntnis, unzureichende Faktenaufnahme oder schlicht die Absicht, möglichst viele Asylwerber schnell wieder wegzuschicken, prägen das Verfahren in der ersten Instanz. Zwei Drittel aller angefochtenen Bescheide werden von der Berufungsinstanz, dem Unabhängigen Bundesasylsenat (Ubas), wieder aufgehoben. Nach dem Übereinkommen der SPÖ mit den Regierungsparteien ÖVP und BZÖ soll jetzt das Berufungsverfahren aus dem Innen- ins Justizressort oder Bundeskanzleramt wandern. Ein Asylgerichtshof soll den Ubas ersetzen. In einer parlamentarischen Entschließung hieß es, diese Neuerungen sollten „so rasch wie möglich“ erfolgen.

„Ich gehe davon aus, dass bereits ab Herbst mit den Arbeiten am Projekt Asylgerichtshof begonnen werden kann“, erklärte SPÖ-Mann Darabos Ende letzter Woche: „Für Verzögerungen besteht kein Grund.“ Das sieht die ÖVP ganz anders. Innenministerin Liese Prokop ließ wissen, in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst 2006, würde die Sache nicht mehr angegangen. Priorität hätten jene Teile des Fremdenpakets, die eine Verlängerung der Einbürgerungsfrist und andere Verschärfungen für Migranten vorsehen. RALF LEONHARD