Bauern stehlen das Getreide vom Acker

Sommerregen bringt Qualitäts- und Ertragseinbußen

BEESKOW taz ■ Er sitzt auf der Bank und stiert vor sich hin. Hat Bauer Blume nichts zu tun? „Das stimmt doch gar nicht“, protestiert der Bauer. „Ich habe sogar sehr viel zu tun.“ Blume müsste dringend ernten. Kann er aber nicht: Wegen des ständigen Regens ist für ihn dieser Sommer im Eimer.

Ein kleines Dorf in der Mark Brandenburg, 50 Kilometer vor der Grenze zu Polen: Der Boden ist sandig, die Gegend karg. Hier betreiben die Blumes auf fast 400 Hektar einen Familienbetrieb. „Für die Ernte ist es zu nass“, sagt Blume. Damit sich die Spreu vom Weizen ordentlich trennt, darf dass Getreide nicht mehr als 14 Prozent Feuchtigkeit aufweisen. Messgeräte braucht Blume nicht, er hat das im Blut. „Wir haben ständigen Regenschauer“, sagt der Bauer, kaum sei das Getreide abgetrocknet, zogen neue Wolken auf. Weizen, Deutschlands wichtigste Getreideart, konnte bislang lediglich in der südlichen Rheinschiene fast vollständig gedroschen werden. Deutschlandweit stehen noch zwei Drittel auf dem Feld. Darunter sind etliche so genannte notreife Bestände: Weil es im Juni in einigen Regionen extrem trocken war, konnte der Weizen nicht richtig ausreifen. Das Getreide muss jetzt dringend vom Feld: Jeder weitere Tag senkt die Qualitäts- und Ertragserwartungen. Bereits jetzt spricht der Deutsche Bauernverband von einem Ertragsrückgang von 11,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Ähnlich sieht die Situation bei Roggen und Sommergerste aus. Roggen ist erst zu einem Drittel, Gerste erst zur Hälfte gemäht. Mindestens 20 Prozent weniger Roggen werde dieses Jahr eingebracht. Raps und Wintergerste, so der Bauernverband, seien zwar größtenteils geerntet, aber auch hier liegen die Erträge 10 Prozent unter dem Vorjahr.

Der Verband Deutscher Mühlen hat als Folge der wetterbedingt schlechten Ernte steigende Mehlpreise angekündigt. Die Müller rechnen bei Weizen mit Ertragseinbußen von 12 Prozent, bei Roggen von 20 Prozent. Zudem habe der ständige Regen Auswirkungen auf die Backqualität. Zwar beeilten sich daraufhin die Bäckerinnungen zu erklären, Brot und Brötchen würden nicht teurer. Allerdings mussten sie ein „vorerst“ hinzusetzen.

Hektik auf dem Hof der Blumes: Petrus hatte nun doch ein Einsehen. Schon kurz nach Sonnenaufgang sitz Sohn Sven im Mähdrescher. „Das schmerzt richtig“, sagt der 24-Jährige: Auf einem Teil des Weizenschlages liegen die Ähren vom Regen gebeugt am Boden, sie sind dunkel, manche Körner keimen schon wieder. Vier Wochen seien sie mit der Ernte im Rückstand, „und das müssen wir jetzt in wenigen Tagen versuchen aufzuholen“. Das geflügelte Bauernwort über eine derart hastig ablaufende Ernte geht so: „Die Bauern stehlen das Getreide vom Acker.“ Müssen sie auch: Ab Montag soll es wieder regnen.

Zu den Problemen mit der Ernte kommt eine weitere aktuelle Schwierigkeit hinzu. Der Milchpreis ist gesunken. „Milch ist mit 360.000 Litern pro Jahr unser Haupterwerbszweig“, sagt Vater Gerd Blume. „Wir bräuchten 35 Cent je Kilogramm Milch, um wirtschaftlich arbeiten zu können“, erklärt Mutter Marlis, die Geschäftsführerin des Hofes ist. Derzeit erhält sie nicht einmal 28 Cent. Und das bei gestiegenen Benzinkosten. Gerd Blume: „Für einen Liter Diesel muss ich inzwischen drei Liter Milch verkaufen – da ist was faul im System.“ NICK REIMER