Die Frau, die ihr Comeback vorbereitet

Erst wurde Barbara Richstein als brandenburgische Ministerin von Schönbohm geschasst, jetzt muss sie ihn im Wahlkampf verteidigen. Dabei haben er und Edmund Stoiber mit ihren Äußerungen über die Ost-Mentalität ihre Chancen verschlechtert

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Jetzt muss sie ihn auch noch verteidigen. Den Mann, der sie erst nach Brandenburg holte, zur Landtagsabgeordneten machte und schließlich zur Ministerin. Und der sie dann einfach in einer nächtlichen Kungelrunde der Partei fallen ließ. Aber sie verliert die Fassung nicht. Sie lehnt sich nach vorn und sagt: „Jörg Schönbohm hat das in einer emotionalen Bewegung geäußert. Ich teile seine Äußerungen nicht, aber er hat das ja zurückgenommen und sich entschuldigt.“

Barbara Richstein hat eigentlich Termindruck. Aber sie wirkt gut gelaunt, als ob ihr der Stress des Wahlkampfes gefällt. Sie will für die CDU in den Bundestag. Auf der Landesliste der Partei ist sie nicht abgesichert. Sie muss das Direktmandat holen im Brandenburger Wahlkreis Oberhavel-Havelland II. Dafür hat sie die Chance, allen zu zeigen, dass sie keine ist, die man mit 36 Jahren zur Justizministerin macht und zwei Jahre später wieder abschießt.

Doch ausgerechnet der, dem sie es vermutlich am meisten zeigen will, hat dafür gesorgt, dass der Wahlkampf schlecht angelaufen ist: Brandenburgs Innenminister und CDU-Chef Schönbohm mit seinem Satz, an Gewaltverbrechen in Ostdeutschland sei die „erzwungene Proletarisierung“ in der DDR schuld. Und dann hat auch noch Edmund Stoiber dem frustrierten Osten den Krieg erklärt. Merkel dürfte trotzdem gewinnen. Richstein kann es das Comeback kosten.

Sie hat gerade ein Frage-Antwort-Duell mit ihrem Linkspartei-Kontrahenten hinter sich. Erste Frage: Schönbohm, Stoiber. „Die Leute nehmen das im Paket“, sagt sie. „Man muss sehen, dass man sich von solchen Fehlern abkoppeln kann.“

Sie ist erst mit 31 in die CDU eingetreten. Das war 1997. Ein Jahr später geht gerade der Berliner Innensenator nach Brandenburg: Jörg Schönbohm, der Exgeneral will die dortige CDU in Schuss bringen. Er überzeugt Richstein, mitzukommen. Sie zieht nach Falkensee an den Rand Berlins und macht Karriere: Landtagsabgeordnete, Justizministerin, stellvertretende Landesparteichefin. Ein 14-bis-16-Stunden-Job, aber sie hat Gestaltungsspielraum und ist die erfüllte Nachwuchshoffnung der CDU.

2004 kommen die Probleme. Es wird bekannt, dass Beamte des Landes unter zweifelhaften Umständen Trennungsgeld erhalten haben. Solche Zahlungen können Landesbedienstete bekommen, wenn sie an einen neuen Dienstort versetzt werden, aber ihren Hauptwohnsitz woanders haben. Wessi-Beamte zocken ab! Medien und Opposition erwarten von Barbara Richstein, dass sie durchgreift, Ministerialbeamte, Richter und Staatsanwälte, dass sie sich vor sie stellt. Sie rudert vor und zurück, aber sie kann sich halten.

Bei der Landtagswahl im selben Jahr läuft es wieder für sie. Die CDU rutscht zwar unter 20 Prozent, aber Richstein gewinnt mit dem besten Zweitstimmenergebnis als eine von wenigen ihren Wahlkreis. Sie rechnet fest damit, Ministerin in der großen Koalition zu bleiben. Doch Schönbohm will seinen Generalsekretär zum Fraktionschef machen und muss für die bisherige Fraktionschefin einen Job in der ersten Reihe finden. Dann lieber die wacklige Newcomerin auswechseln. Ein kleiner Kreis um den Parteichef beschließt die Rochade in der letzten Nacht vor Unterzeichnung des Koalitionsvertrags. Mit 39 Ministerin a. D.

Eigentlich hätte sie aufhören können mit der Politik. Sie ist Rechtsanwältin, sie war Referentin beim Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlins, sie spricht fließend Hebräisch. Aber die Politik reizt sie.

Und so schlecht wären die Chancen nicht. Die SPD-Kandidatin hat zwar das letzte Mal mit 20 Prozent Vorsprung den CDU-Mann geschlagen. Aber in Ostdeutschland wechseln die Wähler schnell und der Linkspartei-Kandidat ist ein IG-Metaller, der aus der SPD ausgetreten ist. Die Grünen-Bewerberin ist sogar schon aus dem Rennen, weil ihre Unterlagen beim Kreiswahlleiter nicht fristgerecht eingingen.

Dann kam jener Morgen, als im Frühstücksfernsehen erstmals Stoibers Worte zum Osten liefen. Was sie in diesem Moment gedacht hat? „Aha, es gibt da noch mehr, die wollen, dass die CDU verliert.“